Imperator 04 - Die Götter des Krieges
übersehende Spuren. Ihre eisenbesohlten Sandalen trampelten den Boden zu einer breiten Straße, die selbst ein Kind finden könnte.
»Ich … ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass es in Griechenland so kalt sein kann«, stammelte Julius zu Octavians vermummter Gestalt an seiner Seite gewandt. Das Gesicht des jungen Mannes war mit Unmengen Stoff verhüllt. Nur die weiße Dampfwolke seines Atems verriet, dass er wirklich irgendwo unter dieser ganzen Masse steckte.
»Du hast doch gesagt, ein Legionär sollte über körperliche Beschwerden erhaben sein«, erwiderte Octavian mit leisem Lächeln.
Amüsiert sah Julius seinen Verwandten an, der sich anscheinend an jede Unterhaltung erinnern konnte, die sie beide jemals geführt hatten.
»Renius hat mir das vor langer Zeit so beigebracht«, bestätigte er. »Er hat mir erzählt, er habe sterbende Männer noch einen ganzen Tag lang marschieren sehen, bevor sie zu Boden fielen. Er hat gesagt, die wahre Stärke läge darin, wie gut man den Körper verleugnen könne. Manchmal denke ich, der Mann hatte das Herz eines Spartaners, wenn man von dem vielen Trinken einmal absieht.« Er blickte auf die lange Reihe seiner Legionen zurück, die in verbissenem Schweigen dahinmarschierten. »Ich hoffe, unsere Verfolger holen uns nicht ein.«
Octavians Kopf drehte sich mühsam zu ihm herum, und Julius sah ihm in die Augen, die tief in den Falten der Kapuze verborgen waren.
»Die Männer verstehen das«, sagte Octavian. »Wir lassen dich schon nicht im Stich.«
Julius wurde die Kehle eng, und das hatte nichts mit der Kälte zu tun. »Ich weiß, mein Junge. Ja, das weiß ich«, sagte er leise.
Als sie weiter vorrückten, schlug ihnen der Wind wie der Druck einer warnenden Hand entgegen. Julius brachte vor Stolz kein Wort heraus, denn den schlichten Glauben, den die Männer in seine Führung setzten, hatte er seiner Meinung nach kaum verdient. Auf ihm allein ruhte die gesamte Verantwortung, dass sie ihre Zeit in Griechenland überlebten, und er wusste sehr wohl, wie viel ihr Vertrauen bedeutete.
»Mittlerweile dürfte Pompeius in unserem Lager angekommen sein«, sagte Octavian plötzlich und sah in die Sonne, die gerade über den östlichen Hügeln aufging. »Und er wird uns sehr schnell nachkommen, sobald er sieht, wo wir hinwollen.«
»Wir lassen sie sich zu Tode rennen«, erwiderte Julius, doch er war sich nicht sicher, ob er seinen eigenen Worten Glauben schenkte.
Vor ihrem Abmarsch aus Rom hatte er alles so gut wie möglich geplant und vorbereitet, aber es blieb dennoch eine unumstößliche Tatsache, dass er Verpflegung für seine Männer brauchte. Cäcilius hatte gemeldet, dass sich die Hauptvorräte in Dyrrhachium befanden, und Julius würde seine Legionen bis zur Erschöpfung vorantreiben müssen, um die Stadt zu erreichen. Es gab noch andere Gründe, nach Dyrrhachium zu ziehen, doch ohne Verpflegung würde sein Feldzug zum Stillstand kommen, und alles, wofür sie gekämpft hatten, wäre verloren.
Er fürchtete die Verfolgung, denn obwohl seine Männer gut ausgeruht waren, bevor sie ihre Finte, den Marsch nach Osten, begonnen hatten, konnten sie unter solchen Bedingungen nicht ewig marschieren. Egal, wie Renius über den Kampfgeist von Soldaten gedacht hatte, ihre körperliche Kraft war irgendwann erschöpft. Aus einer primitiven Angst heraus drehte Julius sich um. Er wusste, dass sie das Marschtempo verdoppeln mussten, sobald Pompeius’ Armee auftauchte. Ohne Verschnaufpause würden seine Männer zusammenbrechen, und Dyrrhachium lag noch sehr weit im Norden.
Bis jetzt schien sich jedes einzelne Stadium des Feldzuges am Rande einer Katastrophe entlangbewegt zu haben, dachte er bei sich. Nachdem sie die Vorräte in Dyrrhachium erobert hatten, war ihm vielleicht eine Atempause vergönnt, ohne dass Pompeius’ Heer nach seinen Fersen schnappte. Der einzige Grund zu Optimismus war die Tatsache, dass ihm sein Wissen über Pompeius bei den Manövern einen Vorteil verschaffte. Er hatte darauf gezählt, dass Pompeius nicht angreifen würde, solange eine seiner Legionen außer Sichtweite war. Während Julius den Feind in den Osten lockte, hatte Domitius bereitgestanden, um Dyrrhachium notfalls auch alleine einzunehmen. Doch Pompeius hatte sich genau so verhalten, wie er gehofft hatte.
Ein ums andere Mal sagte sich Julius, dass er vorsichtig sein musste, auch wenn er nie geglaubt hatte, dass Pompeius Rom wirklich verlassen würde. Er wurde den Verdacht nicht los, dass dem
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