Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
führen?«
    »Nach Rutupiae.«
    »An die Ostküste? Wozu? Wer ist dort?«
    »Konstantin«, sagte Thalius schlicht.

V
    Thalius, Tarcho und Audax würden viele Tage brauchen, um von Dolaucothi im Westen Britanniens bis nach Rutupiae im östlichsten Winkel zu reisen, wo Thalius sich um eine Audienz beim Kaiser bemühen wollte. Sie brachen zu dritt mit Thalius’ Wagen auf. Tarcho kümmerte sich um den Jungen.
    Nachdem sie den Sabrina-Fluss überquert hatten, verließen sie das »Soldatenland«, wie Tarcho es nannte, in dem wilde Bergbewohner Herden zottiger Schafe zwischen die Mauern römischer Kastelle trieben, und gelangten in die ruhigeren Gefilde des Südens und Ostens. Der Wagen rollte auf belebten, gut erhaltenen Straßen durch landwirtschaftlich genutzte, aber weitgehend verlassene Gebiete.
    Auf dem Weg nach Durovernum Cantiacorum und Rutupiae machten sie in mehreren Städten Halt, darunter auch für eine Nacht in Londinium. Mit ihren Basiliken und Foren, ihren Bade- und Stadthäusern sahen alle Städte gleich aus: allesamt Miniaturmodelle des fernen Rom. Aber viele der öffentlichen Gebäude hatten bessere Zeiten gesehen. Schäbige alte Basiliken waren zu Getreidespeichern, Viehställen oder Waffenkammern umgewandelt worden, und manchmal sah
man Brandschäden, bei denen niemand sich die Mühe gemacht hatte, sie zu beheben. Selbst in Londinium gab es eine monumentale Basilika, die nur halb vollendet und offenbar aufgegeben worden war; überwuchert von Ranken, mit einem Teppich aus Gras und Unkraut, schien sie sich schon vor der Fertigstellung in eine Ruine zu verwandeln. Und an der Nordseite des Flusses zog sich eine neue Mauer entlang und durchschnitt die Kais und Hafenanlagen, die einst die großen Handelsrouten durch die Provinzen versorgt hatten. Anders als früher steckten die mit zu hohen Steuern belasteten Menschen ihr Geld nicht mehr in die Stadtentwicklung. Die meisten wollten nicht einmal für die Instandhaltung der öffentlichen Kanalisation oder die Entsorgung des Mülls bezahlen. Infolgedessen stanken die Städte.
    Und jede Stadt war von Mauern umschlossen, massiven, dicken Barrikaden mit imposanten Blendsteinen und einem Kern aus Bruchstein und opus caementitium . Thalius wusste alles über solche Befestigungsanlagen; selbst in dem von jeher ummauerten Camulodunum lasteten die Kosten für die Renovierung der städtischen Verteidigungsanlagen schwer auf der Kurie.
    Die Zeiten hatten sich geändert, seit diese Städte geplant worden waren. Auf dem Land war es jetzt erheblich gefährlicher, weil immer wieder organisierte Banden barbarischer Räuber den Wall im Norden überwanden oder über das Meer kamen. Es gab auch jede Menge einheimischer Banditen. Die Gesellschaft
war von oben bis unten vollkommen statisch, weil jeder von Geburt an auf seinen Beruf festgelegt war. Aber wenn der Bauernhof nicht mehr genug abwarf, wenn die Steuern und Abgaben so drückend wurden, dass es sich nicht mehr lohnte, das Land zu bestellen, gab es keinen Ausweg. Viele Bauern hatten sich deshalb einfach in die Nacht davongeschlichen und gehörten nun zu einer wachsenden Unterschicht von Wilderern und Banditen, die außerhalb des Gesetzes lebten.
    Die Städte waren wie Igel, dachte Thalius, ihre alten, schäbigen Gebäude kauerten sich hinter massiven Mauern zusammen, deren Finanzierung und Bau viele Generationen in Anspruch genommen hatten, und sie stellten in einer gefährlichen, entvölkerten Landschaft nervös die Stacheln auf. Dank seiner Geschichtskenntnisse wusste Thalius, wie seltsam diese Entwicklung einem Bürger in Hadrians Zeit vorgekommen wäre. Die Städte waren keine Zentren des Handelsverkehrs und der Kultur mehr; sie waren wie befestigte Gefängnisse für eine gefangene Bevölkerung.
    Aber in allen Städten gab es ein paar prächtige neue Häuser, die sich auf dem Schutt älterer Bauten erhoben. In einer Zeit, in der das Steuersystem jedermann bis aufs Blut auspresste, konnte man als Grundbesitzer, der die Anwesen der Gescheiterten und an den Rand Gedrängten aufkaufte, oder als geldgierige Regierungsmarionette immer noch reich werden.
    Unterwegs beobachtete Thalius den Jungen.
    Er fragte sich, wie viel Audax von dem erfasste,
was mit ihm geschah. Der Junge sprach nur, wenn man ihm eine direkte Frage stellte, und dann in einer gutturalen, wortkargen britannischen Sprache, die selbst Tarcho nur mit Mühe verstand. Sicherlich hatte er begriffen, dass Thalius ihn aus dem Bergwerk gerettet hatte, dass Thalius

Weitere Kostenlose Bücher