Imperator
praktische
Auswirkungen gehabt hatte. Und die schwächliche Rebellion war entschlossen niedergeschlagen worden, als Constantius Chlorus mit einer starken Streitmacht in Britannien einmarschiert war und die Insel zurückerobert hatte.
Ironischerweise war es Constantius Chlorus bestimmt gewesen, Vater eines weiteren britannischen Usurpators zu werden. Constantius war ein Mitglied der Tetrarchie gewesen, eines Kollegiums aus vier gemeinsam regierenden Kaisern – ein System, das dem optimistischen Zweck diente, die kaiserliche Thronfolge zu stabilisieren, von dem jedoch kaum jemand geglaubt hatte, dass es die Abdankung seines Gründers, Diokletian, überdauern würde. Bei Constantius’ Tod rief die britannische Armee seinen Sohn in Eburacum zum Kaiser aus. Nach einer komplizierten Reihe politischer, dynastischer und militärischer Konflikte war der Sohn schließlich zum Herrn des Westreichs geworden, obwohl er nach wie vor seinem Rivalen im Osten gegenüberstand. Doch nach seinen Siegen galt er natürlich nicht mehr als Usurpator.
Nur wenige von Thalius’ Freunden hatten sich so eingehend mit der Geschichte beschäftigt wie er, und nur wenige wussten, dass der arme, charismatische, dem Untergang geweihte Carausias lediglich der Letzte einer Reihe von Usurpatoren im ganzen Reich gewesen war. Der erste britannische Usurpator war ein Statthalter gewesen, der in Afrika geborene Clodius Albinus, der siebzig Jahre nach Hadrian mit der britannischen Garnison auf den Kontinent übergesetzt
hatte und dort von Kaiser Septimius Severus vernichtend geschlagen worden war. Severus hatte die Provinz sodann zweigeteilt, damit kein Statthalter je wieder so mächtig werden konnte. Ein Jahrhundert später hatte Constantius Chlorus sie erneut geteilt; nun gab es nicht weniger als vier britannische Provinzen. Aber die Jahre zwischen Severus und Constantius hatten wenig Frieden gesehen.
Thalius war zu dem Schluss gelangt, dass man all diese Instabilität an der Spitze des Reiches bis zu Hadrian und seinem vor fast zweihundert Jahren fertiggestellten Wall zurückverfolgen konnte.
Der Wall selbst hatte sich als dauerhafte Grenze für Roms Ambitionen erwiesen. Obwohl Severus, der Sieger über Clodius Albinus, sich in die Gebiete jenseits des Walls vorgewagt und den fernsten Punkt des Hochlands erreicht hatte, war sein Feldzug auf dem öden Hochplateau versickert – ebenso wie der von Agricola vor ihm. Danach hatten die Römer nie wieder versucht, den fernen Norden zu erobern.
Aber das Ende der Expansion hatte Folgen. Ohne neue Provinzen, die man ausplündern konnte, bestand das Einkommen des Reichs einzig und allein aus den Steuern und anderen Abgaben, die es von seinen Völkern erhob. Währenddessen konnten die Barbaren jenseits der festen Grenzen, selbst in Caledonien, neue und stabilere Zusammenschlüsse bilden und wuchsen zu einer wachsenden Bedrohung heran.
Während also immer weniger Reichtümer ins Imperium strömten, stiegen die Verteidigungskosten –
und damit unausweichlich auch die Steuern, Generation für Generation. Der niedere Adel flüchtete vor seinen kostspieligen Pflichten in den Städten auf riesige ländliche Anwesen, während die Armen zur Steuerhinterziehung gezwungen und in Kriminalität und bittere Not getrieben wurden.
Auch das Heer veränderte sich. Die dauerhaft an festen Grenzen stationierten Soldaten entwickelten verständlicherweise eine größere Loyalität zu ihren lokalen Kommandeuren als zu einem fernen Kaiser – und Heerführer, die einst jenseits der Reichsgrenzen nach Ruhm gesucht hatten, mussten ihre Ziele nun im Inneren verfolgen. Diese zentrifugalen Tendenzen brachten selbst in Britannien einen Usurpator nach dem anderen hervor, und nur eine neue Gattung harter, gnadenlos tüchtiger Soldatenkaiser hatte das Imperium aus einer sonst womöglich tödlichen Krise führen können. Aber es schien Thalius, dass der Charakter des Reiches sich in diesen Heimsuchungen verändert hatte – und jetzt würde er sich unter einem neuen Kaiser ein weiteres Mal und vielleicht sogar noch drastischer verändern.
Und Thalius, der Amateurhistoriker, hatten noch weiter in die Vergangenheit geschaut. Viele seiner Bekannten glaubten, bei Constantius’ Invasion in Britannien vor zwei Jahrzehnten habe es sich um den ersten römischen Angriff auf die Insel gehandelt – als wäre Britannien schon immer römisch gewesen. Aber die Insel hatte sogar schon vor Claudius’ dreihundert Jahre zurückliegendem Abenteuer
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