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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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weiteres Problem für Audax dar. Die Frau namens Aurelia begleitete sie, und manchmal auch Ulpius Cornelius. Dann hockten die drei – Thalius, Cornelius und Aurelia – hinten im Wagen und unterhielten sich im Flüsterton miteinander.
    Audax, der ganz und gar von ihrem guten Willen abhängig war, registrierte ihre Stimmungen mit großer Empfindsamkeit. Der übergewichtige, umständliche und unbeholfene Thalius war ein guter Mann. Audax konnte sich nicht vorstellen, dass er jemandem absichtlich etwas zuleide tat. Aber er war zerstreut. Wenn er einem seine Aufmerksamkeit schenkte, konnte man in seiner Freundlichkeit baden, aber dann wandte er sich ab, den Kopf voller Gedanken, und vergaß, dass man überhaupt existierte. Thalius war in Ordnung, aber man konnte sich nicht auf ihn verlassen.
    Was Aurelia betraf, so war sie eine alte Frau mit dem Körper eines jungen Mädchens. Mit ihrer Tünche aus Cremes zog sie eine Gestankswolke hinter sich her, von der Audax die Nase juckte. Sie war nicht unfreundlich zu ihm gewesen, als sie die Tätowierung auf seinem Rücken berührt hatte. Aber für sie war er nur ein Sklave, nicht mehr als ein Möbelstück, und ebenso leicht konnte man sich seiner entledigen. Audax begriff das sehr gut.
    Dieselbe Haltung legte auch Ulpius Cornelius an
den Tag. Manchmal sah er Audax jedoch mit einem suchenden Blick an. Vielleicht war Cornelius ein »Lustmolch«, wie die Jungen im Bergwerk die Männer  – Sklaven wie Aufseher – nannten, die sie benutzten. Vielleicht dachte er darüber nach, wie er Audax allein zu fassen bekommen konnte, oder er träumte davon, was er tun würde, wenn es ihm gelang. Aber er unternahm keinen Annäherungsversuch. Tarcho ließ Audax keinen Moment lang aus den Augen.
    All diese Unannehmlichkeiten wurden jedoch von einer noch größeren Furcht in den Schatten gestellt.
    Audax hatte fast sein ganzes Leben in den Bergwerken verbracht, eingeschlossen im Dunkeln. Bevor Thalius und Tarcho gekommen waren, hatte er nur bruchstückhafte Erinnerungen an die größere Welt besessen, Relikte aus seiner frühen Kindheit. Jetzt war er draußen im Freien, ohne Rückzugsmöglichkeit, und er verabscheute das gewaltige Pulsieren von Tag und Nacht. Es kam ihm unnatürlich vor, irgendwie außer Kontrolle.
    Thalius gab sich große Mühe, ihm den Unterschied zwischen »Endlichkeit« und »Unendlichkeit« zu erklären. Audax’ tiefe Verwirrung rührte davon her, dass er sein Leben in Umschlossenheit und Endlichkeit verbracht hatte und nun in einer unendlich offenen Welt gestrandet war. Audax erfasste diese Vorstellungen schemenhaft. Aber für ihn zeigten sie nur, dass Thalius nie ein Sklave gewesen war. Sklaven wussten, was Unendlichkeit war, selbst wenn ihnen die Worte dafür fehlten, denn Sklaven hatten ein Leben voller Arbeit
vor sich, ohne jegliche Wahlmöglichkeit, ohne Ende. Knechtschaft war Unendlichkeit.
    Das einzige Element in dieser riesigen offenen Außenwelt, zu dem er sich hingezogen fühlte, war die Sonne. Wenn der Himmel klar war, sank die Wärme dieser großen Lampe am Himmel tief in seine Knochen und sog sein Blut herauf. Thalius erklärte ihm sanft, dass die Sonne allen Dingen auf der Erde Leben schenkte und dass manche Menschen sie als Gottheit verehrten. Manche glaubten, sie sei eine Form von Thalius’ eigenem Gott, dem Christus, der auch ein Mensch gewesen war. Die Sonne erinnerte Audax an Tarcho mit seiner Kraft, seiner Wärme, seiner Geduld. Audax stellte sich Thalius’ Christus als einen riesigen, bärtigen Soldaten im Himmel vor, der nach germanischem Sauerkohl roch.
    Sie blieben ein paar Nächte in einem Ort namens Eburacum. Das war eine Stadt mit dicken Mauern und Türmen, die sich an einem Flußufer entlangzogen und auf die zivile Stadt herabschauten, die sich zu ihren Füßen zusammendrängte. Ein riesiges Gebäude ragte aus dem Zentrum der Stadt empor, auf Meilen hinaus in alle Richtungen sichtbar. Es war das militärische Hauptquartier der Römer, wie Tarcho sagte.
    Gegründet als Legionslager, war Eburacum immer ein wichtiger Ort gewesen. Ein Kaiser war hier gestorben, vor hundert Jahren: Severus, nach seinen Feldzügen ins nördliche Hochland und nachdem er Eburacum zur Hauptstadt von einer seiner zwei britannischen Provinzen gemacht hatte. Seit damals waren
die Festung und ihre Mauern massiv ausgebaut worden. Und mit Konstantin, den man in diesem imposanten Hauptquartier zum Kaiser ausgerufen hatte, war hier ein weiterer Herrscher geboren worden.

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