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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Braint. »Ich wollte nicht, dass du losschreist.«
    Agrippina bemühte sich, ihren Zorn im Zaum zu halten. »Das hättest du nicht tun sollen.«
    »Und du solltest darauf achten, was hinter dir geschieht«, erwiderte Braint. Sie kroch tiefer ins Unterholz und zuckte zusammen.
    Agrippina bemerkte erst jetzt, dass Braints Bein blutete. »Was ist passiert? Haben sie dich entdeckt?«
    »Beinahe. Ich habe mir das Bein an einem Stein aufgerissen und mein Messer verloren, aber ich bin entkommen. Riskante Tätigkeit, dieses Ausspähen. Kein Wunder, dass sie uns Frauen damit beauftragt haben.«
    »Du musst die Wunde verbinden. Soll ich dir mein Messer leihen?«
    »Nicht nötig.« Braint suchte auf dem Boden herum und förderte einen Brocken Feuerstein zutage. Sie schlug ihn gegen einen Stein, sodass er in zwei Hälften zerbrach; das Innere war seidenglatt. Sie klopfte mit einem Kiesel gegen eine Hälfte des Steins, um lange, dünne
Splitter abzuspalten, wählte einen davon und schnitt damit einen Streifen Stoff von ihrem Leibrock ab. All das dauerte nur ein paar kurze Augenblicke. »Und«, sagte sie, während sie arbeitete, »hast du die vorbeikommenden Legionäre gezählt? Wie viele sind es?«
    »Frag lieber nicht. Ich bin sogar hier geblieben und habe den Straßenbauern zugeschaut.«
    »O ja. Diese blonden, jungen Germanen mit den nackten Oberkörpern. Der Anblick hat dir bestimmt gefallen.« Sie grinste anzüglich und fasste sich in den Schritt.
    Agrippina, die ihre Fassung noch nicht ganz wiedergefunden hatte, musste unwillkürlich lächeln; sie hatte in der Tat ein paar unanständige Gedanken gehabt, als sie den Soldaten bei der Arbeit zugeschaut hatte.
    »Ich habe gesehen, wie sie einen heiligen Ort zerstört haben«, sagte Braint. »Sie haben die Menhire eines Steinkreises umgestürzt und zerschlagen, um Geröll für ihre Straße daraus zu machen. Sie haben keinen Respekt.«
    »Aber es ist eine gewaltige Streitmacht, Braint. Selbst Caratacus wird den Mut verlieren.«
    »Darauf würde ich mich nicht verlassen«, erwiderte Braint düster. »Dazu ist er zu sehr in sich selbst verliebt. Gestern hat er einen weiteren Angriff auf die römische Kolonne angeführt. Er hat einen Karren mit Legionärsstrümpfen verbrannt und dabei drei Krieger verloren.« Sie schnaubte verächtlich. »Vielleicht bringen tausend solche Flohstiche die Römer ins Stocken. Aber Caratacus hält das für unter seiner Würde, und
ich kann es ihm nicht verübeln. Noch schlimmer ist, dass der römische Oberbefehlshaber den ganzen Tag lang Abgesandte empfangen hat. Ein reicher Einheimischer oder Dorfvorsteher nach dem anderen, der dem Kaiser Treue gelobt.«
    »Damit haben wir gerechnet«, sagte Agrippina.
    »Ja, aber einer von ihnen war ein Bruder der Fürsten. Cogidubnus.« Einer der Söhne, die Cunobelin zur Ausbildung und Erziehung nach Rom geschickt hatte. »Wie es heißt, wird Cogidubnus unter römischer Bewachung durchs Land reisen und Abkommen für den Kaiser aushandeln.«
    »Er würde seine eigenen Brüder verraten?«
    Braint hob die Schultern. »Cogidubnus würde wohl sagen, dass Caratacus und Togodumnus mit ihren Mätzchen in den letzten Jahren diesen Sturm über uns alle gebracht haben. Aber wie du weißt, Agrippina, gibt es in Familienangelegenheiten selten ein Richtig oder Falsch.«
    »Und was nun?«
    »Caratacus ist ungeduldig. Er ist drauf und dran, den bisherigen Plan aufzugeben – die Scharmützel, die Hinterhalte. Bald werden die Römer den Cantiacer-Fluss durchqueren müssen. Caratacus sagt, dort wolle er ihnen entgegentreten.«
    »Ist er nun doch auf eine offene Feldschlacht aus?« Agrippina verspürte eine Aufwallung widerstreitender Gefühle. »Vermutlich hat ihn der ganze Verlauf seines Lebens an diesen Punkt gebracht – ihn und Togodumnus.«

    Braint räusperte sich. »Wenn du im Zusammenhang mit den beiden das Wort ›Ehre‹ gebrauchst, klebe ich dir eine. Die Fürsten sind zwei verzogene kleine Jungen, die keine Ruhe geben, bis alles nach ihrer Nase geht. Und der Druide liegt ihnen ständig im Ohr. Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig, als sie zu unterstützen. Und wer weiß, vielleicht siegen sie sogar.« Sie hatte den Stoffstreifen abgetrennt und fing an, sich das Bein zu verbinden.
    Agrippina begutachtete die Feuersteinsplitter.
    Nach all ihren Reisen hatte sie ein Gespür für die groben Strukturen des Lebens auf der gesamten britannischen Insel. Ja, im Süden gab es Münzen und Tonwaren, Bauernhöfe und Märkte.

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