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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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zu. »Diese niedrigen Wälle sollen Schafe fernhalten, nicht Menschen.«
    »In Caesars Schriften ist die Rede von Invasorenwellen vom Kontinent. Es stimmt zwar, dass man Gefäße aus Germanien und Broschen aus Gallien sieht. Das heißt aber nicht, dass die Töpfer und Juweliere in Scharen herübergekommen wären! Julius wollte Britannien wohl wilder erscheinen lassen, als es ist, damit seine Taten umso größer wirkten. Dennoch hätte ich das vorhersehen sollen«, sagte er. »Immerhin ist es unser politisches Bestreben, unseren Nachbarn Kultur zu bringen.«
    Für hochwertige Waren aus dem Imperium wurden Rohstoffe aus Britannien importiert: Erze, Weizen, Leder, Jagdhunde – und in den letzten paar Dekaden zunehmend auch Sklaven, obwohl Narcissus aus persönlicher Erfahrung bezeugen konnte, dass Britannier leicht reizbare Diener waren. Das Imperium machte fette Gewinne mit diesem Handel, Tand als Gegenleistung für gewaltige Rohstoffmengen. Narcissus, ein nachdenklicher Mensch, hielt dieses Muster im Umgang einer höher entwickelten Kultur mit einer primitiveren für weitgehend unvermeidlich. Und all dies diente den längerfristigen Zielen des Reiches. Roms materielle Kultur war ein unschätzbar wertvolles Werkzeug zur Manipulation lokaler Eliten, und freundlich gesonnene einheimische Herrscher erwiesen
sich als kostengünstige Puffer gegen weiter entfernte Barbaren.
    »Wir haben diese südlichen Britannier also gezähmt. Ich hatte nur nicht erwartet, dass wir damit schon so weit gekommen sind.« Es ärgerte Narcissus irgendwie, dass die Landschaft nicht so fremdartig war, wie er gedacht hatte.
    »Vielleicht sind wir sogar noch weiter gekommen, als du denkst«, erwiderte Vespasian. Er brachte eine unregelmäßig geformte, geprägte Münze zum Vorschein. »Dies gehörte zu einem Schatz, einem Tribut, den der Herrscher eines hiesigen Dreckhaufens an Aulus Plautius entrichtet hat. Die Münze wurde vom König der Atrebaten ausgegeben – unserem Freund Verica. Ja, die Britannier prägen ihre eigenen Münzen! Oder zumindest manche von ihnen.«
    Narcissus nahm die Münze. »Sie ist aus Gold.«
    »Ja. Offenbar wurde sie nur für Tribute benutzt, nicht für den Handel, denn sie ist von zu großem Wert. Selbst diese halb zivilisierten Britannier kapieren anscheinend nicht, wozu eine Währung gut ist.
    Aber wir wissen noch immer wenig über die Gebiete jenseits dieser südöstlichen Ecke. Wir glauben, dass es da draußen mehr als zwanzig Stämme gibt, und bisher haben wir erst mit einer Hand voll von ihnen ernstlich Kontakt aufgenommen. Zweifellos gibt es in den Hügeln jede Menge Burschen mit haarigem Arsch, die noch nie auch nur etwas von Rom gehört haben.«
    Narcissus fühlte sich immer noch ein wenig unwohl. »Aber dieses Land hat seine eigene Geschichte.
Das erkennt man schon, wenn man es sich einfach nur von hier aus betrachtet. Und nun sind wir hier, um all das auszulöschen. Weißt du, wenn man ein Land besetzt, übernimmt man die Verantwortung für dessen Bevölkerung, vielleicht Millionen Menschen, für all ihre Hoffnungen und Träume. Ich frage mich manchmal, ob man in Rom weiß, welch schwerwiegende Folgen unsere Handlungen haben.«
    Vespasian sah Narcissus neugierig an. »Du verspürst doch nicht etwa Gewissensbisse, Sekretär?«
    »Jeder nachdenkliche Mensch hat ein Gewissen.«
    »Die Britannier sind Bauern, nicht mehr. Mit einer Hand voll Glasperlen kann man sich eine Frau kaufen, und ihren Gatten obendrein mit einem Spiegel, damit er sich den struppigen Bart kämmen kann – aber er wird Angst vor dem Barbaren haben, der ihm daraus entgegenschaut! Wir müssen uns diesen kindlichen Menschen gegenüber wie Eltern verhalten. Hart, aber gerecht.«
    »Oh, das ist mir klar.« Narcissus schüttelte seine Stimmung ab und rief sich ins Gedächtnis, dass es immer ein Fehler war, auch nur das leiseste Zeichen von Schwäche zu zeigen – immer. Er ließ den Blick noch ein letztes Mal über die Landschaft schweifen. »Bei Apollos Augen, ich könnte es nicht ertragen, in einer dieser Holzhütten zu leben. Sie sehen wie große braune Misthaufen aus. Kein Wunder, dass die Britannier schon nach ein, zwei Bechern Wein nicht mehr wissen, wo vorne und hinten ist!«
    Vespasian lachte und ritt den Hang hinunter.

X
    Agrippina lag im niedrigen Strauchwerk auf dem Bauch. Sie war seit Tagesanbruch hier. Inzwischen konnte sie sich kaum noch bewegen, der Nacken tat ihr weh, und sie hatte nichts mehr zu essen und nur noch wenig

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