Imperator
Kampfgetümmel zu schleppen. Er brachte ihn in den Schutz eines Waldstücks auf einer kleinen, nicht von den Römern besetzten Anhöhe.
Nectovelins Gesicht war eine Maske aus Blut. Er ragte über Cunedda auf. »Ich will kein Wort davon hören, dass du entehrt worden seist, weil man dir nicht erlaubt hat zu sterben. Du bist klug genug, um zu wissen, dass in einem sinnlosen Tod keine Ehre liegt. Und er wäre sinnlos gewesen, nicht wahr?«
Cunedda setzte sich mühsam auf. Sie befanden sich im Schatten der Bäume, in kühlem Grün. Sein Kopf pochte schmerzhaft; Nectovelin erzählte, dass einer ihrer eigenen Krieger es fertiggebracht habe, ihn mit einem Knüppel zu treffen. Er war über und über mit Blut beschmiert, aber nur wenig davon war sein eigenes.
Der Schlachtenlärm ging unvermindert weiter, und in der Luft lag der Gestank von Ausscheidungen und Tod. Er kroch an den Rand des Dickichts und spähte hinaus.
Von dieser kleinen Anhöhe aus hatte er einen guten Blick auf die Aufstellung der römischen Armee. Die Einheiten waren immer noch harte, kompakte Blöcke,
rot, schwarz und silbern. Es waren zehn; die vier in der vordersten Reihe kämpften gerade gegen die Britannier, und zwei Reihen von jeweils drei Blöcken lagen dahinter in Reserve. In größerer Entfernung wartete eine weitere Gruppe von zehn Kohorten mit ähnlicher Aufstellung. Ein wenig abseits von den unerschütterlichen Blöcken der Legionärskohorten waren auch noch kleinere Einheiten zu Fuß oder zu Pferde in Bereitschaft. Das waren Hilfstruppen, wie er wusste, die Reiterei oder Spezialisten wie Bogenschützen und Steinschleuderer. Sie blieben auf ihrer Position; noch wurden sie nicht gebraucht.
Im Vergleich dazu wirkte der formlose britannische Mob wie eine Flut, die vorwärtsgeschwappt war. Und wo immer die britannische Woge gegen einen standhaften römischen Block anbrandete, bildete sich eine leuchtende Schaumkrone aus Blut.
Nectovelin, der neben ihm hockte, zeigte auf etwas. »Schau, dort drüben.«
Von Westen sah Cunedda weitere kompakte römische Einheiten kommen. Sie marschierten in stetigem Tempo auf das Kampfgetümmel zu.
»Ich habe die Kohorten gezählt«, sagte Nectovelin grimmig. »Ich schätze, wir stehen heute drei römischen Legionen gegenüber. Jeweils zehn Kohorten, siehst du? Wir sind schon an zweien gescheitert. Und da kommt die dritte, um uns den Rest zu geben.«
»Wie lange war ich bewusstlos?«
Nectovelin zuckte die Achseln. »Ein paar Augenblicke. Nicht lange.«
Cunedda schaute nach oben und sah, dass die Sonne sich noch nicht merklich von der Stelle entfernt hatte, wo sie zu Beginn des Angriffs gewesen war. »Und doch ist die Schlacht bereits verloren.«
»Oh, sie sind noch lange nicht mit dem Töten fertig. Aber ja. Wir haben die Schlacht in dem Moment verloren, als wir angegriffen haben. Schau.« Er zeigte auf den Bereich hinter den britannischen Linien, wo die Nichtkombattanten, die Frauen, Kinder und Händler, hastig ihre Sachen packten und flohen. »Die römische Reiterei wird sie verfolgen, aber die Frauen und Kinder werden wohl davonkommen. Agrippina hat eine Aussicht zu überleben.« Er lachte finster. »Ich habe noch nie viel von der römischen Reiterei gehalten.«
»Was ist mit den Fürsten?«
»Wer weiß?«
»Nectovelin, im Kampfgetümmel da unten – wie die Römer getötet haben … Es war erbarmungslos.«
»So töten zivilisierte Menschen«, sagte Nectovelin. »Es ist ein Beruf. Sie töten, wie sie Tonwaren herstellen. Einen Mann zu verschonen, sodass er noch einmal kämpfen kann, ist für sie« – er machte eine Handbewegung – »vergeudete Mühe.«
»Warum hast du mich herausgeholt?«
»Weil wir, bei Coventinas ausgeleierter Möse, heute zwar verloren haben, der Krieg aber noch lange dauern wird, Cunedda. Wir machen uns jetzt auf die Suche nach Agrippina, und dann sehen wir weiter.«
Sie wandten sich vom Mahlwerk der Schlacht ab und schlüpften davon.
XVI
Agrippina erwachte davon, dass Cunedda sie an der Schulter rüttelte.
»Pina! Das musst du dir ansehen.«
Widerstrebend rollte sie sich auf den Rücken. Ihr war heiß unter ihrer dünnen Wolldecke, und sie hatte einen schweren Kopf, einen trockenen Hals und eine volle Blase. In der Luft hing noch der Rauch des Feuers der vergangenen Nacht, aber durch Ritzen im konischen Strohdach fiel strahlend helles Licht. Es war schon spät. Sie hatte wieder zu lange geschlafen und würde den ganzen Tag unter Kopfschmerzen leiden. Trotzdem
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