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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ganze Zeit über hockten die Römer in ihrem Lager, nur einen halben Tagesritt von Camulodunum entfernt.
    Jeder hatte erwartet, dass die Römer einfach in der Stadt einmarschieren würden. Wer hätte sie aufhalten können? Unter den Stadtbewohnern gingen Gerüchte über römische Gräueltaten in Gallien und Germanien um, über niedergebrannte Städte, ausgeweidete Säuglinge und vergewaltigte Frauen – und Männer, wie es von diesen dekadenten Römern hieß. Jedenfalls würden
sie an der Stadt – dem Zentrum des stärksten Widerstandes, auf den sie wohl in ganz Britannien stoßen würden – vermutlich ein Exempel statuieren wollen. Hin und wieder kamen römische Soldaten sogar nach Camulodunum geritten, als wollten sie ihr Eigentum inspizieren. Ihr Lateinisch klang rau und fremd, ihre Frechheit war aufreizend.
    Aber sie unternahmen immer noch nichts, und als die Tage ins Land gingen, wurde die Anspannung, nicht zu wissen, was kommen würde, immer unerträglicher.
    Agrippina und Cunedda gelangten zu Braints Haus und gingen hinein. Braint selbst war unterwegs, aber Nectovelin war da; er durchstöberte einen Haufen von Rüstungen und Waffen.
    Es war so heiß im Haus, das Nectovelin sich bis zur Taille ausgezogen hatte; sein Leibrock und der Mantel lagen auf einem Kleiderhaufen an der Wand hinter ihm. Unter seinen Sachen fiel Agrippina eine dünne Ledermappe ins Auge. Sie sah wie eine jener Dokumentenhüllen aus, die sie in Gallien bei Advokaten und Geldverleihern gesehen hatte. Ihr fiel nur ein Dokument ein, das ein brigantischer Krieger wie Nectovelin in einer solchen Hülle bei sich tragen mochte.
    Cunedda hatte sie hergebracht, damit sie sich die Waffen anschaute, denn ein großer Teil von ihnen war römischer Herkunft. »Es ist uns gelungen, all diese Stücke von einem Haufen draußen vor ihrer Festung zu stibitzen. Nachdem die Römer uns in die Flucht geschlagen hatten, haben sie ihre Gefallenen auf dem
Schlachtfeld weggeschafft, aber nicht, ohne sie zuvor zu entkleiden.«
    Nectovelin grunzte. »Sie holen sich die Ausrüstung ihrer Toten zurück, um sie zu reparieren und wiederzuverwenden. Wirklich sehr sparsam, diese Römer.«
    »Schau, Agrippina«, sagte Cunedda und hob gebogene Eisenstreifen auf.
    »Die Rüstung eines Legionärs«, knurrte Nectovelin. »Sie nennen diese Platten lorica segmentata . Die modernste Rüstung, die man kennt – doppelt so gut wie Kettenhemden und nur halb so schwer.«
    »Siehst du, sie ist körpergerecht geformt«, fuhr Cunedda fort. »Diese Teile bedecken die Brust, diese die Schultern und die hier den oberen Rücken.« Die Rüstung war beschädigt und teilweise blutbefleckt, aber Cunedda konnte ihr zeigen, wie ein Legionär die Streifen mit Metallhaken so verband, dass sie einen biegsamen Schutz bildeten. »Man kann sich damit sogar bücken, um die Zehen zu reinigen. Selbst ihre Schilde sind alles andere als schlicht.« Er hob ein Fragment eines zerbrochenen römischen Schildes auf, einen Teil eines Halbzylinders. An den Bruchstellen sah Agrippina Schichten aus dünnem Holz. »Siehst du? Sie biegen diese Holztafeln in Form und verleimen sie dann. Nicht nur das, sie legen die Maserung der Schichten quer übereinander, um dem Ganzen größere Festigkeit zu verleihen.«
    »Festigkeit vielleicht«, sagte Nectovelin, »aber letztendlich hat das den Träger dieses Schildes draußen auf dem Feld auch nicht geschützt.«

    »Irgendwelche Neuigkeiten von Caratacus?«, erkundigte sich Agrippina.
    »Nur dass er immer weiter nach Westen flieht«, antwortete Nectovelin. »Angeblich hofft er, bei den Siluren oder sogar bei den Ordovicern Zuflucht zu finden.«
    »Würden Fremde aus dem Westen für einen geschlagenen Fürsten aus dem Osten kämpfen?«, fragte Agrippina skeptisch.
    »Möglich wäre es«, sagte Nectovelin scharf. »Immerhin hat Caratacus sich den Römern entgegengestellt. Er hat zumindest nicht einfach aufgegeben. Ich denke, die Leute bewundern das.«
    »Und sein Bruder …?«, fragte Cunedda.
    »Soweit wir wissen, ist Togodumnus tot«, meinte Nectovelin. »Obwohl die Schlacht ein solches Durcheinander war, dass man es kaum mit Sicherheit sagen kann. Es geht das Gerücht, dass die Römer seinen Kopf zur Schau gestellt hätten.« Er schüttelte den Kopf. »Er hätte den Göttern des Flusses nicht den Rücken zukehren sollen.«
    Braint kam geschäftig mit zwei schlaffen Hühnern herein, deren Köpfe an gebrochenen Hälsen baumelten. Sie legte die Hühner neben die Feuerstelle

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