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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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südlichen Ufer des Flusses aus, und Kräne reckten sich wie dürre Vögel empor. Jenseits eines Hinterlands aus Lagerhäusern und Getreidespeichern sah man die Umrisse weiterer eindrucksvoller Gebäude, die gerade im Bau waren.
    Mit Hilfe ihrer skizzenhaften Karte zeigte ihm Severa, wo Londinium entstanden war. »Bis hierher wirken sich die Gezeiten auf den Fluss aus, siehst du, aber man kann ihn auch noch viel weiter im Landesinneren befahren. Und die Stadt selbst ist ein Knotenpunkt von Straßensystemen, die in alle Himmelsrichtungen führen. Sie ist ein natürlicher Hafen für den Handel mit Gallien und ferneren Regionen …«
    Brigonius sah, dass es ein Hafen für eine Reichsprovinz war, ein Hafen für den Handelsverkehr mit
dem Kontinent. Britannien brauchte Londinium nicht; Britannia schon.
    Nach einer letzten Übernachtung näherten sie sich Camulodunum. Es war früher Morgen. Unweit der Stadt war die Straße, auf der immer mehr Verkehr herrschte, von Grabsteinen gesäumt, und Urnen waren halb im Erdreich begraben. Severa erklärte Brigonius, dass die Römer keine Beerdigungen innerhalb der Stadtgrenzen duldeten, sodass an den großen Ausfallstraßen Friedhöfe entstanden.
    Die Stadtmauer Camulodunums kam in Sicht, eine dunkle Linie, die quer über ansteigendes Gelände verlief. Meilenweit um die Mauer herum sah Brigonius jedoch größtenteils verlassene Rundhäuser, Scheunen, Erdwälle und Gräben. Die römische Stadt schien auf einen niedrigen Hügel gepflanzt worden zu sein, oberhalb einer ehemals viel ausgedehnteren Siedlung, die nun unter dem Pflug verschwand.
    Außerhalb Camulodunums fiel ihnen ein riesiges ummauertes Bauwerk aus hellem neuem Stein ins Auge, zu klein, um eine Stadt zu sein, und von der Form her auch kein Kastell. Wie sich herausstellte, war es eine Arena, in der unter der Schirmherrschaft von Priestern aus dem Tempel der Stadt Wagenrennen ausgetragen wurden. Diese Extravaganz erstaunte Brigonius. Aber die Instandhaltung der Arena wurde aus den Erträgen der Rennwetten bezahlt, und bei diesem Gedanken leuchteten Severas Augen auf – sie war eine geborene Spielerin.
    Severa ließ einen Sklaven vorauslaufen, um alles für
ihre Ankunft vorzubereiten. Daraufhin wurden sie auf der Straße von einem gewissen Flavius Karus empfangen, den Severa als Advokaten vorstellte, mit dem sie bezüglich Hadrians Grenzbefestigungen korrespondiert hatte.
    Brigonius und Karus musterten einander misstrauisch. Karus war ein hochgewachsener Mann, so groß wie Brigonius, aber er hatte einen dicken Bauch, der beim Gehen wie ein Wassersack wabbelte. Seine Haare waren so dunkel wie die von Brigonius, aber grau meliert, und er war glatt rasiert, während Brigonius einen Bart trug. Aus Anlass ihres Besuchs hatte er eine Toga angelegt, auch wenn sie ein wenig schmuddelig und am Saum mit Schlamm bespritzt war, aber er war eindeutig genauso britannisch wie Brigonius.
    Nicht nur das, dachte Brigonius, Karus schenkte Lepidina auch etwas zu viel Aufmerksamkeit. »Das ist also die entzückende Tochter, deren Gesellschaft du in deinen Briefen versprochen hast!«
    Lepidina war erwünschte wie auch unerwünschte männliche Aufmerksamkeit gewöhnt. Aber Brigonius glaubte, einen Schimmer von Berechnung in Severas Blick zu sehen. Er fragte sich erneut, ob sie die Reize ihrer Tochter als Lockmittel benutzte, um fette alten Narren wie Karus und Jünglinge wie ihn zu umgarnen.
    Die vier mussten zu Fuß zu Karus’ Wohnhaus im Innern der ummauerten Stadt gehen; die Sklaven würden mit dem Gepäck folgen. Karus ging auf der belebten Straße voran. Über ihnen erhob sich die Stadtmauer: zwölf Fuß hoch, sagte Karus mit spöttischem Stolz,
ohne die Brustwehren, und acht Fuß dick. Die Straße führte durch ein riesiges zweiflügeliges Tor. Karus meinte, es sei einmal ein Triumphbogen gewesen, den man zur Feier von Claudius’ Besuch errichtet habe. Nach Boudiccas desaströsem Aufstand sei er in die festen neuen Mauern der Stadt einbezogen worden.
    Unter dem Tor wurde Brigonius von einer Soldatenpatrouille angehalten, die grob seine Kleidung durchsuchte. Bei den Römern gab es ein Gesetz, demzufolge man in einer Stadt keine Waffe tragen durfte, und sie setzen es durch, insbesondere gegenüber Britanni . Brigonius fügte sich; er war daran gewöhnt. Die Frauen verfolgten diesen kleinen Wortwechsel, Severa mit dem faszinierten Blick einer Dohle, Lepidina einigermaßen verwirrt. Vermutlich hatten sie noch nie gesehen, wie jemand aus

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