Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
ihrem Bekanntenkreis einer solchen Behandlung unterzogen wurde.
    Im Innern teilten enge Straßen die Stadt in Häuserblöcke auf, die Karus insulae  – Inseln – nannte. Jede Fläche war mit Sprüchen und Zeichnungen bedeckt. Für Brigonius wirkte die Stadt eng und überfüllt, nur gerade Linien, rechte Winkel und ein Durcheinander verwirrender Bilder. Es war ein seltsamer Gedanke, dass irgendwo unter all diesem bemalten Stein und Putz Cunobelin einst im Herzen seines eigenen Reiches Hof gehalten hatte, in einer Hauptstadt, die jetzt vom Antlitz der Erde getilgt war.
    Karus’ Haus befand sich in einer Nebenstraße. Es war ein hohes, schmales Gebäude mit rechteckigem Grundriss, leuchtend weiß verputzten Mauern und einem
roten Ziegeldach. Im Erdgeschoss standen die Türen weit offen und gaben den Blick auf ein Ladengeschäft mit einem breiten Tresen voller Lebensmittel frei: Fleisch, Gebäck, Obst. Obwohl es noch früh am Tag war, drängten sich Kunden vor dem Tresen und kauften ihr Frühstück. Bei dem Geruch von gegartem Fleisch lief Brigonius das Wasser im Mund zusammen, aber er fragte sich, weshalb all diese Leute nicht einfach zu Hause gegessen hatten.
    Karus führte seine Gäste durch den Laden zu einer Treppe im hinteren Teil. Wie sich herausstellte, gehörte ihm der Raum über dem Laden, der zu Brigonius’ Überraschung einem zweiten, auf das erste gestapelten Haus glich. Der ohnehin schon kleine Raum hier oben war durch innere Trennwände in noch kleinere Kammern unterteilt. Karus ging herum und zündete an der Wand befestigte Öllampen und Kerzen an. Die Kammern hatten winzige Fenster mit Scheiben aus bläulichem Glas, aber selbst an einem so hellen Morgen war es dunkel in der Wohnung, denn das Gebäude stand im Schatten anderer Häuser.
    Severa und Lepidina gaben kleine, anerkennende Laute von sich, als Karus sie herumführte. »Die Wohnung ist nicht so furchtbar groß«, sagte er entschuldigend. »Aber mehr kann sich ein armer Advokat nun mal nicht leisten. Ihr würdet nicht glauben, wie teuer der Grund und Boden in der Nähe des Stadtzentrums geworden ist.«
    »Ach, es ist überall dasselbe«, erwiderte Severa. »Du solltest die Wohnblöcke in Rom sehen. Manche
sind so hoch, dass sie garantiert umfallen würden, wenn sie nicht aneinanderlehnten. Aber du hast den Platz gut genutzt, Karus.«
    Ein kleiner Eckraum war ein Schrein. Die Gäste betrachteten Karus’ Idole und Paraphernalien. Die meisten waren seinen Hausgöttern geweiht, aber Brigonius erkannte auch eine Statue von Fors Fortuna.
    »Eine Soldatengöttin«, sagte Severa.
    »Ich bin kein Soldat«, erklärte Karus und tätschelte seinen ausladenden Bauch. »Aber die meisten meiner Klienten sind welche. Dies ist immer noch eine Soldatenstadt, Severa. Es kann nicht schaden, den Segen ihrer Göttin zu suchen.« Er führte seine Gäste weiter.
    Brigonius berührte die Wand. Die Oberfläche war verputzt und weiß gestrichen, aber an manchen Stellen war der Putz abgeblättert, und man sah Holzflechtwerk. Die Zwischenräume waren mit Lehm und Stroh ausgestopft. Er fühlte sich in dieser kleinen, dunklen Wohnung zunehmend eingeengt. Es war noch schlimmer als in den Kastellen mit Steinmauern, die er besuchen musste, wenn er mit der Armee im Norden Geschäfte machte. Hier sperrten die dünnen Wände den Lärm in der geschäftigen Gasse draußen nicht aus, ebenso wenig wie die Gerüche aus der Gaststube unten. Nicht nur das, dies war Karus’ Territorium, und der dicke Advokat schien die engen Räume mit seinem Gerede auszufüllen.
    Lepidina nahm seinen Arm. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst wie ein Bär in einem Käfig.«
    »Es geht mir gut«, sagte er steif.

    »Nein, das stimmt nicht.«
    »Es ist nur … weißt du, hier ist alles so anders.« Er machte eine Handbewegung und suchte nach den richtigen Worten. »Es liegt daran, dass die Mauern so flach, die Kanten so gerade, die Ecken so rechtwinklig sind. Und der Raum ist für verschiedene Verwendungszwecke unterteilt. Dort drüben schläft man, hier herüben arbeitet man.«
    Severas Interesse war geweckt. »Und das unterscheidet sich von deiner Lebensweise?«
    Er versuchte, das Haus zu beschreiben, in dem er aufgewachsen war und noch immer wohnte, das Haus, dessen offener runder Raum eine Karte der Zeitzyklen war.
    »Nun, kultivierte Menschen brauchen nicht mehr wie Tiere zu leben«, sagte Karus geringschätzig.
    Brigonius ballte die Fäuste, aber Severa legte ihm die Hand auf den Arm. »Dein

Weitere Kostenlose Bücher