Implantiert
von der Schulter. »Ich wette, eine so brillante Pilotin wie Sie könnte dieses Monstrum bei diesem Sturm fliegen.«
Die Worte kamen leise und schwach aus ihrem Mund. »Ich … ja … wir könnten es schaffen. Sie wissen schon – bei einem Notfall, denke ich.«
Magnus lächelte. »Nun, dann betrachten Sie das als einen Notfall. Danté hat Informationen, dass Colonel Fischer vielleicht schon morgen früh hier auftauchen wird. Sie starten heute Nacht.«
Sara starrte ihn an. Ihre Angst wich einer immer größer werdenden Wut. »Das kann nicht Ihr Ernst sein, Magnus. Was ich eben über den Sturm gesagt habe, war kein Witz.«
»Auch ich meine es ernst«, sagte Magnus. Er beugte sich vor. Sara zuckte unwillkürlich ein wenig zusammen, als sie in sein narbiges Gesicht mit den merkwürdig violetten Augen blickte, das nur wenige Zentimeter vor ihr innehielt. Sie roch den Yukon Jack in seinem Atem.
»Ich möchte, dass Sie um zwanzig Uhr dreißig von dieser Insel starten«, sagte er. »Keine Sekunde später. Haben Sie das verstanden?«
Er sprach nicht mehr mit diesem weichen, ruhigen Tonfall, den sie von ihm gewohnt war. Jetzt war seine Stimme voller Autorität – eine Stimme, die früher zweifellos Männern befohlen hatte, anzugreifen, zu schießen und zu töten.
»Ja, Sir.« Die Worte kamen ihr über die Lippen, ohne dass sie es gewollt hatte.
Magnus trat einen Schritt zurück. Dann nickte er mit der Miene eines preußischen Offiziers, der die Hacken zusammenschlug. Er schob sich an ihr vorbei aus dem Cockpit.
Sara schauderte. Vielleicht würde der Sturm gar nicht so schlimm, wie sie erwartete. Und selbst wenn – das wäre immer noch besser, als hier mit Magnus Paglione zusammen festzustecken.
VIERTES BUCH
DER FLUG DER C-5
30. November, 19:34 Uhr
»Ihr Idioten müsst auf Crack sein. Nur so kann jemand auf die Idee kommen, uns bei diesem Wetter starten zu lassen.«
Sara. Nie um Worte verlegen. Und doch fühlte sich Colding tatsächlich wie ein absoluter Vollidiot, denn ein Start bei diesem Wetter war, soweit er sah, die einzige Möglichkeit, sie in Sicherheit zu bringen. Auch wenn das nicht gerade überzeugend klang: Er sorgte für ihre Sicherheit, indem er sie in große Gefahr brachte.
Magnus fuhr Claytons Bv 206. Colding saß auf dem Beifahrersitz, Sara auf der Rückbank. Der Sturm hatte so heftig und so schnell zugeschlagen, dass sie den Nuge brauchten, um den knappen Kilometer zwischen Landhaus und Hangar zurückzulegen. Colding hatte schon viele Winterstürme erlebt, doch nie hatte er sich dabei auf einer Insel mitten im Lake Superior befunden. Wie die Faust eines rasenden Gottes der Elemente schien der Wind die Erde zu erschüttern. Der Schnee fiel eigentlich nicht – er durchdrang alles. Dichte Lagen Schnee flogen in alle Richtungen, sogar nach oben. Und das war erst das vordere Ende eines mörderischen Blizzards, der die Sichtweite bereits auf unter zwanzig Meter eingeschränkt hatte.
Sara beugte sich von der Rückbank aus nach vorn. »Nur damit es keine Missverständnisse gibt: Sehen Sie diesen verdammten Schnee, der von überallher kommt? Bei der Air Force würden alle Maschinen am Boden bleiben.«
»Sie sind nicht bei der Air Force«, sagte Magnus. »Ich habe schon beim dritten und beim vierten Mal verstanden, was Sie mir sagen wollen. Beim zehnten Mal wird es mir einfach zu viel.« Magnus trug einen großen schwarzen Parka.
Er hatte die Kapuze so weit nach vorn gezogen, dass sie sein Gesicht verbarg. Für Colding sah er wie eine moderne Version des Sensenmannes aus – der Tod fährt einen Bv 206.
Verschwommene Lichter wurden sichtbar, als das schwere Fahrzeug weiterrollte. Die Sicht war so miserabel, dass Colding erst aus fünfzig Metern Entfernung das gewaltige Heck des Flugzeugs erkennen konnte, und selbst dann blieb der vordere Teil der Maschine noch im Sturm verborgen. Im sturmgepeitschten Schnee wirkten die Dimensionen des schwarzen Flugzeugs sogar noch größer, fast unwirklich.
Magnus stoppte den Bv 206 wenige Meter von der C-5 entfernt. Das dämonische Kreischen des Windes übertönte sogar die warmlaufenden Triebwerke. Colding, Magnus und Sara stürzten sich aus dem Wagen und rannten die Heckrampe des Flugzeugs hinauf. Die ganze Zeit über mussten sie gegen den Wind ankämpfen.
In den meisten Plexiglas-Boxen befanden sich Kühe, deren Schwangerschaft extrem weit fortgeschritten war. Jedes Tier hing in seinem für den Flug vorbereiteten Geschirr. Infusionsschläuche führten zum Hals
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