Implantiert
schwang Spitzhacke und Schaufel auf die Schulter und machte sich auf den Weg zurück zum Landhaus.
30. November: Eine so brillante Pilotin wie Sie
Sara saß mit einer Decke über den Beinen in einen Ledersessel gekuschelt in der Lounge. Sie war mit der Hälfte des inzwischen etwas zerfledderten Ausdrucks von Heiße Dämmerung durch. Ohne Colding hatte sie ihre freie Zeit damit verbracht, Gunthers Roman zu lesen. Eigentlich nicht gerade ihr Ding, aber es war witzig, ein Buch von jemandem zu lesen, den sie kannte. Es war allerdings offensichtlich, dass dieser Roman von einem Mann stammte – rubinrote Penisse? Ernsthaft?
Das Buch gefiel ihr, doch ihr Blick streifte nur in jenen kurzen Intervallen über die Worte, die zwischen den langen Phasen lagen, in denen sie aus dem Fenster auf das schäumende Wasser und die eisbedeckten Felsen sah. Die diesige Nachmittagssonne versteckte sich hinter Wolken, deren Farbe am Horizont von grau in schlammig-schwarz überging.
Colding kam in die Lounge. Sofort strahlte ihr Gesicht, doch sie konnte kein Lächeln erkennen, mit dem er darauf reagiert hätte. Er sah schmutzig, zerzaust und völlig durchgefroren aus. Seine Hosenbeine waren feucht und von dunklen Schmutzstreifen überzogen. Er ging direkt auf sie zu, blieb vor ihr stehen und sah sie an. Noch nie hatte sie diesen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen: Wut, Konzentration und Angst auf einmal.
»Was liest du denn da?«
Er wusste genau, was sie las. Schließlich war er es gewesen, der ihr den Roman gegeben hatte. »Hmm … Gunthers Buch.«
»Echt? Ist es gut?« Er streckte die Hand aus. Wie merkwürdig. Sie reichte ihm das Manuskript. Er griff nach den Seiten, doch sie glitten ihm aus der Hand. Er beugte sich vor, um sie aufzuheben, und schob die verstreuten Blätter zusammen.
»Entschuldige«, sagte er. Er reichte ihr das Manuskript. »Ehrlich gesagt, im Augenblick kann ich gar keinen Blick darauf werfen. Ich muss noch einiges erledigen. Später vielleicht.«
Er drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort davon. Sie legte das Manuskript in ihren Schoß, und ihre Finger strichen über ein kleines Stück Papier, dessen Ecke ein wenig aus dem Stapel rausragte. Ein Stück Papier, das einen Augenblick zuvor noch nicht da gewesen war.
Beiläufig schlug Sara die entsprechende Seite auf und las die kurze Notiz, die er in das Manuskript geschoben hatte.
Magnus hat Jian umgebracht. Ich habe sie gerade beerdigt. Ich glaube, er hat auch Erika ermordet. Wir stecken in riesigen Schwierigkeiten. Verhalte dich ganz normal. Wir werden vielleicht
schon sehr bald etwas unternehmen müssen. Bitte halte dich bereit. Du musst ohne zu zögern das tun, was ich dir sage. Dein Leben hängt davon ab. Schluck diese Notiz herunter, damit Magnus sie nicht findet.
Ihr wurde schwummrig vor Augen. Sie blinzelte. Dann las sie den Text noch einmal.
Jian … tot?
Und Erika Hoel … ermordet?
Peej würde darüber keine Witze machen. Nicht über einen Mord. Heilige Scheiße.
So unauffällig wie möglich knüllte Sara die Notiz zusammen. Es war schwierig, nicht zu den Kameras hochzusehen, die in allen vier Ecken an der Decke der Lounge angebracht waren. Sie hob die Hand vor den Mund und hustete. Der Geschmack von Papier erfüllte ihren Mund. Sie ließ die Hand an Ort und Stelle und hustete noch ein paarmal, um ihr heftiges Kauen zu verbergen.
Sie schluckte.
Plötzlich fühlte Sara den Drang, ihre Crew zusammenzurufen, um die C-5 gründlich zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie sich in einwandfreiem Zustand befand. Wenn sie bereit sein musste, schnell zu reagieren, dann durfte das Flugzeug keine unerwarteten Schwierigkeiten machen. Sie legte das Manuskript beiseite und machte sich mit ruhigen Schritten auf den Weg zu Alonzos Zimmer.
Sara, Alonzo, Cappy und Miller stapften durch den Schnee. Sie legten den knappen Kilometer zwischen Landhaus und Hangar zu Fuß zurück. Die schweren dunklen Wolken waren näher gekommen; es war, als hätte ein riesiger Besen das Grau des Himmels nach und nach beiseitegefegt. Die ersten
Schneeflocken wirbelten in aberwitzigen Spiralen um sie herum. Schon bald würden es mehr werden.
»Wirst du uns verraten, was hier eigentlich los ist?«, fragte Alonzo, der seine Schultern, wie bei kaltem Wetter üblich, fast bis zu den Ohren hochgezogen hatte. »Erwartest du wirklich von uns, dass wir glauben, es ginge um eine unangekündigte Inspektion ?«
»Hör auf zu maulen, ’Zo«, sagte Sara. »Bring’s einfach
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