Implantiert
jetzt nur die ersten Meter. Am Dock musste das Eis mindestens fünfzehn Zentimeter dick sein, stark genug, um ein Dutzend Männer zu tragen.
Drei Meter vom Boot entfernt knackte das Eis unter seinem linken Fuß. Mit einem gurgelnden Geräusch strömte das Wasser durch die dünnen Risse.
Gary verharrte vollkommen regungslos und wartete eine scheinbare Ewigkeit lang darauf, dass das Eis brach. Doch es hielt. Er schob seinen linken Fuß nach vorn an den wässrigen Rissen vorbei. Nach ein paar tastenden Schritten wusste er, dass er es geschafft hatte. Vorsichtig ging er den Rest der Strecke zum Dock.
Gut möglich, dass die schneebedeckte Insel bei Tag eine echte Schönheit war, doch in der Dunkelheit wirkte sie durch das Nachtsichtgerät wie grün eingefärbtes, atomverseuchtes Ödland. Wind trieb Pulverschnee über das Ufer. Schneebedeckte Kiefern sahen aus wie schwere, von grünlich-weißem Schleim bedeckte Monster.
Gary tastete unter dem Schneeanzug nach der Ausbuchtung an seiner linken Hüfte – das Gewicht der Waffe verschaffte ihm eine gewisse Beruhigung. Er ging zum Schuppen am Anfang des Docks. Mit seinem Ski-Doo-Schneemobil würde er die eineinhalb Kilometer bis zur Geisterstadt rasch hinter sich bringen. Zu Fuß ginge alles leiser und diskreter, doch irgendwo da draußen war Magnus Paglione, und Gary hatte keine Lust, sich mit ihm auf einen Wettlauf auf Leben und Tod einzulassen. Irgendwie hatte er den Verdacht, dass ein ehemaliger Killer der Special Forces besser in Form war als ein Kiffer, der es sich am liebsten am Strand gemütlich machte.
Er stapfte durch eine Schneewehe, die den Eingang blockierte und betrat den Schuppen. Bei den ersten beiden Startversuchen gab der Motor des Ski-Doo nur ein kurzes Gurgeln von sich und erstarb dann wieder. Beim dritten Versuch erwachte er dröhnend zum Leben.
Gary schleuderte die Schwimmweste beiseite. Wenn er fliehen oder sich verstecken musste, war Leuchtorange nicht gerade die günstigste Farbe. Gary steuerte die Maschine hinaus
auf den Weg. Er fuhr langsam, damit der Motor so leise wie möglich blieb. Er ließ die Scheinwerfer ausgeschaltet und orientierte sich mit Hilfe seines Nachtsichtgeräts. Das Ski-Doo glitt durch den bis zu fünf Zentimeter tiefen Schnee, der sich angesammelt hatte, seit der Weg zum letzten Mal geräumt worden war. Rechts und links erhoben sich dunkle Wälder wie die Wände eines Canyons.
Schon nach drei Minuten konnte Gary den Kirchturm zwischen den Baumwipfeln erkennen. Er schob sich das Nachtsichtgerät vom Gesicht, öffnete seinen Schneeanzug und zog eine Taschenlampe heraus. Er richtete die Taschenlampe auf den Turm und ließ sie zweimal aufleuchten.
Sara und Tim saßen aneinandergedrückt unter drei Decken, die den kalten Wind kaum abhalten konnten, der durch die Zinnen des Glockenturms blies. Als Sara das zweimalige Aufblitzen auf dem dunklen Weg sah, der zum Hafen führte, konnte sie es zuerst nicht glauben — es wirkte so unecht. Beim zweiten doppelten Aufblitzen jedoch war sie sich sicher.
»Absolut unmöglich«, sagte Tim.
»Absolut möglich«, sagte Sara. Sie hob ihre eigene Taschenlampe, was aufgrund der dicken Fäustlinge von Clayton gar nicht so einfach war, und ließ ihrerseits als Antwort das Licht zweimal aufblitzen. Dann legte sie die Taschenlampe ab, griff nach dem Fernglas und suchte den schwach erleuchteten Platz mitten in der Stadt ab.
Gary sah die zwei Lichtblitze. Er musste vorsichtig sein. Konnte ja sein, dass Magnus sich dort oben versteckte und Gary in eine Falle zu locken versuchte. Erneut tastete er nach seiner Waffe, nur um sich ihrer noch einmal zu versichern. Alles war so verrückt, wirklich total durchgeknallt – er war
doch nur ein Typ, der meistens in Bars rumhing, gelegentlich mit seinem Boot rausfuhr und nebenher ein bisschen Pot verkaufte. Er war kein Actionstar wie Onkel Clint.
Gary steckte die Taschenlampe weg und schob sich das Nachtsichtgerät wieder vor die Augen. Er konnte nicht wissen, wer sich wirklich im Glockenturm befand, weshalb es vernünftig war, für eine schnelle Fluchtmöglichkeit zu sorgen. Er wendete das Ski-Doo nur wenige Meter außerhalb der alten Stadt, so dass die Nase der Maschine in Richtung des Weges zeigte, auf dem er hergekommen war. Er rutschte vom Schneemobil. Jetzt oder nie. Sein Vater brauchte ihn. Ein schneller Gang zur Kirche und wieder zurück, und alles wäre so gut wie erledigt.
Erst als er die Stadt erreichte, sah er, dass sich etwas
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