Implantiert
keiner dieser Brocken groß genug war, um der Otto II ernsthaften Schaden zuzufügen, war Gary absolut sicher, dass er das nicht unbedingt herausfinden wollte, während sich das Boot mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Knoten durch die Wogen pflügte.
Als die Insel in Sicht kam, schaltete er die Positionslichter aus und navigierte nur noch mit GPS und seinem Nachtsichtgerät. Die dichten Wolken verbargen die Sterne und schwächten das Mondlicht zu einem fahlen Schimmer ab, doch das reichte für das Nachtsichtgerät, das ihm in verschiedenen neongrünen Farbschattierungen den Weg zeigte, den er nehmen musste.
Je näher er dem Hafen kam, umso dicker wurde das Eis. Baseballgroße Stücke sammelten sich wie dicht gepacktes Treibgut, wodurch das Wasser wie wogendes Land aussah, das sich mit jedem Wellenberg hob und mit jedem Wellental senkte. Die Otto II durchpflügte diese Oberfläche und ließ einen Pfad freien Wassers hinter sich zurück, der jedoch nur wenige Sekunden lang bestand, bevor er unter den treibenden Eisstücken wieder verschwand.
Mächtige Wellen schlugen gegen die Pylone an der Hafeneinfahrt. Tatsächlich schlugen sie gegen die sechs Meter hohen Eisklumpen, die Pylone bedeckten. Gary schüttelte verwundert den Kopf. Wenn diese Kälte anhielt, dann wäre die Hafeneinfahrt in etwa einem Tag zugefroren. Danach würde es nur noch Stunden dauern, bis der gesamte
Hafen von einer Eisschicht bedeckt wäre. Genau das war im Winter ’68 geschehen – jedenfalls hatte ihm das sein Vater erzählt.
Gary zog den Gashebel zurück, und reduzierte damit die Geschwindigkeit und – wichtiger noch – den Motorenlärm. Der Wind war so laut, dass er das Blubbern des Motors übertönte, es sei denn, jemand erwartete ihn auf dem Dock. Die Otto II glitt durch die vereiste Hafeneinfahrt. Innerhalb der Hafenmauern waren die Wellen nur noch einen Meter hoch. Gary traute kaum seinen Augen – das Eis hatte nicht nur die Pylone, sondern auch Ufer und Dock anwachsen lassen – um mindestens neun Meter. Unermüdlich schleuderten die Wellen Wasser und neue Eisstücke gegen die zugefrorene, sich verbreiternde Küstenlinie.
Und jenseits des Hafens? Ein Psychopath mit einer Waffe. Korrektur: Waffen, und zwar einer ganzen Menge davon. Aber das spielte keine Rolle. Sein Vater brauchte ihn. Diese Menschen brauchten ihn. Er musste nichts weiter tun, als auf die Insel zu kommen, es bis zur Kirche zu schaffen und sie zurückzubringen. Sobald sie im Boot und runter von der Insel waren, waren sie in Sicherheit.
Er konnte nicht am Dock anlegen. Das Eis war dort wahrscheinlich viel zu dick, aber an der Grenze zum offenen Wasser war es zu dünn. Irgendwo in der Mitte wäre es so stabil, dass es sein Gewicht tragen würde. Er schob den Gashebel ein wenig vor, erhöhte ein wenig die Geschwindigkeit. Der äußere Rand des Eises brach mit einem deutlich hörbaren Knacken an den Bootswänden. Das Knacken verwandelte sich in ein Knirschen und dann in ein Mahlgeräusch, während das Boot langsamer wurde und zentimeterdicke Eisschollen beiseiteschob. Schließlich hielt die Otto II viereinhalb Meter vom Dock entfernt an.
Gary schaltete den Motor ab, so dass nur noch das Heulen des Windes und das Schaben der Eisbrocken zu hören waren, die mit der Wellenbewegung aneinanderrieben, als ob jemand Styroporplatten übereinanderschob. Er zog seine orangefarbene Schwimmweste an. Wenn er ohne sie ins Wasser stürzte, hätte er kaum eine Chance, lange genug zu überleben, um es wieder zurück in die beheizte Schiffskabine zu schaffen.
Er griff nach dem Landungshaken, ging zum Bug und drückte die Spitze des Stocks gegen das Eis. Es schien dick genug, um ihn zu tragen.
Er schwang ein Bein über die Reling, hielt sein Gewicht aber noch auf der Innenseite des Bugs und setzte den Fuß aufs Eis. Dann drückte er mit dem Fuß gegen das Eis. Es hielt. Er setzte den anderen Fuß aufs Eis, hielt jedoch Oberkörper und beide Arme noch im Boot. Er drückte heftiger, so dass das Eis mehr von seinem Gewicht tragen musste. Es hielt immer noch. Die Wellen schleuderten Wasser und Eisstücke gegen seine Füße. Er schluckte heftig und verlagerte langsam sein Gewicht, wobei er sich mit den Händen immer noch an der Reling festhielt, um nicht einzubrechen, wenn das Eis plötzlich nachgeben sollte.
Das Eis hielt.
Langsam schob er einen Fuß nach dem anderen voran, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass er sein Gewicht stets auf beide Beine verteilte. Gefährlich würden
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