Implantiert
vielerlei Hinsicht war das sogar noch schlimmer. Jetzt behandelte er sie wie irgendeine Kollegin – eine Kollegin, deren Vorgesetzter er war. Und er tat so, als hätte es die Hunderte von leidenschaftlichen Nächten zusammen nie gegeben.
Sie hatte sich für das Projekt entschieden, und jetzt war das Projekt alles, was sie noch hatte.
Das Vorgehen bei standardisierten Klon-Projekten war ziemlich vorhersagbar. Zunächst gewann man aus dem Tier, das man klonen wollte, eine Zelle – üblicherweise eine Stammzelle – und entnahm ihr den Zellkern. Dann besorgte man sich von dem Tier, das als Leihmutter dienen sollte, eine Eizelle, deren Kern man ebenfalls entfernte. Schließlich führte man den Kern der Stammzelle in die jetzt leere Eizelle ein, verschmolz die beiden mit Hilfe eines elektrischen Schocks und wartete darauf, dass die neue Zelle anfing, sich in einem Mitose genannten Prozess zu teilen. Wenn das gelang, führte man die hybride Eizelle in den Uterus der Leihmutter ein, wo sie sich normal weiterentwickelte.
Diese Methode war beim legendären Kloning von Dolly, dem schottischen Schaf, angewandt worden. Danach kam es zu einer wahren Lawine geklonter Arten: Fische, Vögel, Ziegen, Kühe und sogar Hunde und Katzen. Der Prozess konnte so eindeutig beschrieben werden, dass man einzelne seiner Elemente bereits an den High Schools unterrichtete.
Das Entscheidende bei einem erfolgreichen Kloning bestand darin, dass man sowohl für die Eizelle wie für das Tier, das geklont werden sollte, dieselbe oder zumindest eine ähnliche Spezies nahm. Doch beim Ancestor-Projekt war die letzte eng verwandte Art bereits vor etwa 260 Millionen Jahren ausgestorben. Jians Computerprogramm, das alle die »Gottesmaschine« nannten, hatte ein Genom geliefert, das tatsächlich einen lebensfähigen Embryo produzierte, der sich eigenständig teilte und mehrere Mitosen durchlief. In der Petrischale war dieses Problem – der unmögliche Teil – bereits gelöst. Aber man konnte kein vollständiges Tier in einer Petrischale züchten. Solange sie es nicht schafften, dass das Immunsystem der Kuh den Embryo als körpereigen akzeptierte, konnte dieser nicht zu einem Fötus heranwachsen, und das Projekt war zum Stillstand gekommen.
Beim Quagga war die Lösung relativ leicht gewesen, denn das Tier war eng mit dem Zebra verwandt. Aus Haaren und anderen noch erhaltenen Körperteilen hatten sie die notwendige DNA gewonnen. Nachdem daraus das Quagga-Chromosom hergestellt war, injizierten sie dieses in die entkernte Eizelle eines Zebras und verbrachten die neue Eizelle in den Körper eines Zebras, das als Leihmutter diente.
Zuerst hatte es nicht funktioniert. Das Immunsystem des Zebras stieß den Embryo ab. Doch Erika hatte eine Möglichkeit gefunden, das Problem zu umgehen, indem sie die Gensequenz isolierte, die für die Antigene verantwortlich
war – also für diejenigen Proteine, durch die es zur Abstoßungsreaktion kam. Sie ersetzte die Sequenz durch den entsprechenden Abschnitt der Zebra-DNA. Es war nur ein kleiner DNA-Abschnitt, und sie wussten immer noch nicht, was genau er codierte, aber die Methode funktionierte. Nachdem die für die Abstoßungsreaktion verantwortlichen Proteine ausgeschaltet waren, behandelte der Körper des Zebras das Ganze wie eine normale Schwangerschaft, was dazu führte, dass zum ersten Mal seit einhundert Jahren wieder ein Quagga-Baby seinen Fuß auf diesen Planeten setzte.
Die DNS von Zebra und Quagga war zu über 99 Prozent identisch. Jetzt allerdings verfügten sie über kein Muttertier, das in genetischer Hinsicht besonders ähnlich gewesen wäre. Sie hatte nur ein am Computer entwickeltes Genom und eine Kuh.
Jians Gottesmaschine lieferte eine »Einschätzung der Lebensfähigkeit«, mit der die Chancen einer hybriden Eizelle bestimmt wurden, den Immunreaktionstest zu bestehen und im Körper der Leihmutter bis zur Geburt heranzuwachsen. Sie berechnete das Verhältnis zwischen Produkten bekannter DNS-Sequenzen und solchen, die nicht so gut erforscht oder sogar völlig unbekannt waren. Bisher betrug der höchste Wert, den sie jemals erreicht hatten, 65 Prozent. Irgendwo in den restlichen 35 Prozent versteckten sich die Proteine, die die Immunreaktion eines Rindes steuerten. Diesen 35 Prozent entsprachen Milliarden von Nukleotiden und Millionen von Sequenzen – es waren also bei weitem zu viele, als dass man sie durch systematisches Ausprobieren hätte ausschließen können. Niemand wusste genau, welche Gene
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