In alle Ewigkeit
Schritte von der Pforte zur Haustür ging. Bengt Wagner kam Winter entgegen und schüttelte ihm die Hand.
»Lisen will nicht herauskommen«, sagte Wagner. »Sie liegt im Bett. Jetzt kommt alles wieder hoch.«
»Es tut mir so Leid.«
»Sie sind ja nicht schuld daran.«
»Ich hab angerufen. Da kam... «
»Wir können ja nicht so tun, als ob es nicht passiert wäre«, sagte Wagner. Er ging ein paar Schritte über den Rasen, der in der Hitze aufgehört hatte zu wachsen, jetzt aber wieder Farbe bekam. »Für Lisen ist es das Beste, wenn sie die Trauer auslebt. Sonst wird es noch schlimmer. Schlimmer mit jedem Mal.« Er sah Winter an. »Es ist also wieder passiert.«
Winter nickte.
»Genau an derselben Stelle?« »Es scheint so.«
»Und dann ist noch ein Mädchen überfallen worden?« »Ja.«
»Auch vergewaltigt?« Winter nickte wieder.
»Da laufen wohl mehr als nur ein Vergewaltiger frei in der Stadt herum?«
»Je nachdem, wie man zählt, gibt es eventuell verschiedene«, sagte Winter.
»Aber es gibt jedenfalls einen Besonderen«, sagte Wagner. »Das ist eine Hypothese«, erwiderte Winter. »Macht es Sinn, davon auszugehen?« »Ich glaube ja.«
»Was bringt Ihnen das?« Wagner schnaubte, es klang wie ein trockenes kleines Lachen. »Was bringt uns das?«
Winter zündete sich einen Corps an und blies den Rauch aus. Er schaute ihm nach und beobachtete, wie er sich mit der durch den Regen klaren Luft mischte.
»Falls wir einen Zusammenhang entdecken, könnte uns das helfen. Enorm sogar.«
»Wie denn? Welcher Zusammenhang sollte das sein?«
Winter nahm erneut einen Zug. Er hatte Wagner einen Zigarillo angeboten, der ihn dankend angenommen hatte.
»Angelikas Mörder kann auch... der sein, der Beatrice ermordet hat. Weder Sie noch ich werden je vergessen, dass er immer noch frei herumläuft. Für Sie ist es Millionen Mal schlimmer, aber ich werde es auch nicht los.«
»Was für ein verdammter Zusammenhang soll da bestehen?« »Wenn es einen Zusammenhang gibt, werden wir ihn finden«, sagte Winter. »Genau das ist es, was uns helfen wird.«
»Sie haben ja alle Akten und Berichte mehrere Male gelesen, immer wieder von vorn. Da kann's doch nichts geben, was Sie übersehen haben?«
»Ich habe damals keine Vergleiche gehabt.«
»Nein, das versteh ich. Aber es muss doch viel geben, das... tja, das einen Zusammenhang zu haben scheint, und trotzdem nichts bedeutet. Drei Mädchen im gleichen Alter. Vielleicht die gleichen Interessen, was weiß ich. Die gleichen Vergnügen vielleicht. Dieselben Lieblingslokale in der Stadt, vielleicht dieselben... vielleicht haben sie im selben Viertel gelebt. Sie haben ja schon gesagt, dass alle drei gerade das Abi gemacht haben.« Wagner hob einen Arm und machte eine Bewegung mit der Hand. »Himmel, es gibt tatsächlich massenhaft Gemeinsamkeiten. MUSS es ja geben. Wie wollen Sie wissen, was wichtig ist oder nicht, wenn Sie das alles lesen und vergleichen?«
»Ich kann nur hoffen, dass ich es merke.« »Hoffen? Ist das alles?«
Winter lächelte kurz und zog wieder an seinem Zigarillo.
»Ziemlich stark«, sagte Wagner und sah auf den langen dünnen Stängel in seiner Hand. »Vor ein paar Monaten wollte ich ein Päckchen kaufen, hab aber keins bekommen.«
»Ich rauche nur Corps«, sagte Winter. »Wenn es die nicht mehr gibt, höre ich auf.«
»Aber mit Beatrice... hören Sie nicht auf.«
»Nie.«
»Werden Sie... wir... den Scheißkerl finden?« »Ja.«
»Jetzt habe ich wieder Hoffnung.«
»Ja. Wenn dieser Sommer vorbei ist, haben wir ihn gefunden.«
»Es kann ein langer Sommer werden«, sagte Wagner und schaute zum Himmel.
Winter rief von Wagners Garten aus an. Halders meldete sich nach vier Klingelzeichen, und Winter fuhr los, in Richtung Osten. Halders' Auto stand vor dem Haus. Winter parkte dahinter.
»Ich hätte zu euch reinkommen können«, sagte Halders, der ihn an der Pforte erwartete. »Ich war sowieso unterwegs«, sagte Winter. »Wir haben schon einen feinen Job mit viel Freiheiten, was?« »Hast du was zu trinken?« »Genügt dir ein Bier?«
Winter nickte und folgte ihm ins Haus. »Ich bin hier seit mehr als vier Jahren nicht mehr gewesen.«
»Überhaupt nicht?«
»Nur mal ganz kurz.« Halders hatte eine Dose aus dem Kühlschrank genommen. »Hier.« Winter öffnete das Bier und trank. »Ich kann dir ein Glas holen.«
Winter schüttelte den Kopf und nahm noch einen Schluck. Die Küche war hell. Auf der Spüle stapelten sich keine Berge von schmutzigem
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