In alle Ewigkeit
immer so? Wenn es ums Lesen geht?« »Ich weiß nicht«, sagte Winter und überlegte, ob er sich noch einen Corps anzünden sollte, ließ es aber.
»Die meisten Bücher hier hab ich geklaut«, sagte sie und breitete die Arme in Richtung Buchregal aus.
Winter antwortete nicht, er stand auf, ging wieder zum Fenster und zündete sich jetzt doch einen Zigarillo an. Da draußen herrschte jetzt die mittägliche Stille.
»Haben Sie nicht gehört? Geklaut!«
»Ich hab's gehört.«
»Wollen Sie nichts dagegen unternehmen?«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
»Ach?«
»Erzählen Sie mir von den Lauten, die er von sich gegeben hat«, sagte Winter.
»Wie?«
»Sie haben gesagt, dass er etwas vor sich hin gebrabbelt hat, was Sie nicht verstanden haben. Erzählen Sie davon.«
»Dazu ist nicht viel mehr zu sagen. Es war ein Reim oder so was. So hat sich's jedenfalls angehört.«
»Haben Sie später noch mal darüber nachgedacht?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Konnten Sie einzelne Wörter verstehen?«
»Nein.«
Winter dachte nach. »Sie könnten nicht versuchen, mir vorzumachen, wie das klang?«
»Vormachen, wie das klang? Sind Sie verrückt?«
»Es könnte wichtig sein.«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Was Ihnen passiert ist, kann auch anderen passieren.« Er sah sie an. »Es ist anderen passiert.«
»Ich weiß.«
Winter nickte. »Gut.«
»Aber das ist doch ein bisschen starker Tobak, dass ich... dass ich versuchen soll, das Schwein nachzuahmen.«
»Versuchen Sie sich noch mal daran zu erinnern.«
»Genau das will ich aber nicht, verdammt noch mal.«
»Okay. Ich versteh Sie.«
»Es muss ein Problem sein.«
»Wie meinen Sie das?«
»All diese Fragen stellen zu müssen, wenn man weiß, dass man den, den man ausfragt, eigentlich lieber in Ruhe lassen sollte.«
»Das ist ein Problem.« »Na also.«
»Aber es ist nicht zu vermeiden. Ich bin nicht freiwillig hier. Nicht so.«
»Schließlich haben Sie sich für den Job entschieden.« »Ja.«
»Warum?«
»Lassen Sie mich drüber nachdenken«, sagte Winter lächelnd.
»Nur bis zum nächsten Mal«, sagte sie. Er konnte nicht sehen, dass sie auch lächelte. Vom Fenster kam ein Luftzug. Er sah eine Wolke im Westen. Plötzlich war sie da.
Halders ging durchs Haus. Alles war jetzt fremd, seit er nicht mehr hier wohnte. Sie waren zusammen eingezogen, und dann war er ausgezogen. Margareta war mit den Kindern im Haus wohnen geblieben, und er war in eine Wohnung unten in der Stadt gezogen. Das war keine billige Lösung, aber es war das Beste gewesen. Das Haus sollte für die Kinder bleiben. Und Margareta verdiente besser als er.
Hatte besser verdient.
Gestern waren Hannes und Magda zu Hause geblieben, aber heute waren sie in der Schule gewesen. Er war wieder im Wohnzimmer angekommen. Nach einer Runde. Die meisten Möbel von damals waren noch da. Das meiste war noch da, nur sie fehlte. So viel er wusste, hatte Margareta keinen anderen gehabt, aber er wusste nicht alles.
Er hatte die Kinder mittags nach der Schule gefragt, ob sie nicht ein paar Tage zu Hause bleiben wollten. Magda hatte nein gesagt, und Hannes hatte erst nicht geantwortet. Der Junge hatte nicht mal mit ihnen Mittag essen wollen. Halders war in sein Zimmer gegangen.
»Können wir hier wohnen bleiben?«, hatte Hannes vom Bett aus gefragt, als Halders hereinkam.
Halders hatte sich auf die Bettkante gesetzt.
»Können wir im Haus wohnen bleiben? Ich möchte hier bleiben.«
»Wenn du das willst, dann bleibst du auch hier.« »Und bleibst du dann auch bei uns, Papa?«
Ihm war ganz kalt geworden bei der Frage des Jungen. Es war eine schreckliche Frage. Er dachte plötzlich daran, wie ausgeliefert Kinder sind. In der Vorstellungswelt des Jungen war es keineswegs selbstverständlich, dass sein Papa bei ihnen wohnen würde, zu ihnen zurückkehren würde... für immer.
Er war unendlich traurig.
»Klar bleiben wir zusammen, Hannes.«
»Magda auch?«
»Magda natürlich auch.«
»Werden wir dann hier wohnen?«
Halders dachte an seine Wohnung. Seine dreckige Wohnung. Sie schien gerade so weit weg zu sein. Dieses Haus gehörte ihm nicht mehr, aber das Problem musste irgendwie zu lösen sein.
»Das wollen wir mal hoffen.«
»Muss ich in die Schule?«
»Nein, wie ich dir ja schon gesagt habe... «
»Was macht Magda? Geht sie in die Schule?«
»Wenn sie will. Sie hat eben gesagt, dass sie gehen will.«
Der Junge richtete sich auf. Über seinem Bett hingen Plakate von einem Hardrocker, dessen
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