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In allertiefster Wälder Nacht

In allertiefster Wälder Nacht

Titel: In allertiefster Wälder Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy McNamara
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Ich leg mich auf dein Bett und lese, solange du weg bist.«
    Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn zum Bett. Wenn er sich ausstreckt, ist er fast länger als meine Matratze. Aus einem Stapel Bücher, die meine Mom gekauft hat, wähle ich einen Gedichtband von Louise Bogan, den ich ihm gebe. Ich soll das ganz locker nehmen. Er will das so. Ich muss meine ganze Willenskraft aufwenden, um mir die Socken anzuziehen und nicht zu ihm ins Bett zu klettern.
    »Schöne Beine«, sagt er. Das klingt schon eher nach ihm. Er beobachtet mich, während ich ein paar schnelle Dehnübungen mache. Wenn er so auf meinem Bett liegt, erinnert er mich an die aus Marmor gehauenen Ritter, die man im Victoria und Albert Museum in London sehen kann. In Lebensgröße, auf einem Sarkophag ausgestreckt. Ein Schauer überläuft mich. Ich hol die Laufschuhe aus dem Beutel und setze mich auf den Fußboden, um sie mir zu schnüren. Irgendwas hat sie steif gemacht … vielleicht Salzwasser. Eine verschwommene Erinnerung. Viele davon drängen auf mich ein. Mein Mut sinkt. Ich krame nach meinem Telefon und den Ohrstöpseln.
    »Wo willst du langlaufen?«, fragt Cal. Er wälzt sich auf die Seite und stützt sich auf den Ellenbogen.
    »Zu deinem Haus und zurück. Ich nehme die Waldpfade bis zu deiner Straße, dann wieder zurück. Weit weg vom Wasser. Mir passiert nichts, das versprech ich.«
    »Susanna ist weg«, sagt er mit einem schiefen Lächeln. »Du brauchst nicht nachzusehen. Musst du immer noch laufen?« Er will mich ärgern, aber es ist da, auf seinem Gesicht, ein Anflug von Besorgnis. Als ob ich losziehen würde, um die Sache zu Ende zu bringen.
    Ich werde rot.
    »Ich lass den Rufton an, laut, wenn du willst.«
    Er lacht, als ob wir beide wüssten, dass das übertrieben ist, ein lächerliches Zugeständnis, er nickt aber trotzdem.
    Und schon bin ich zur Tür raus.
    Allein.
    Meine ersten echten Minuten Einsamkeit, seit ich Cal auf dem Highway begegnet bin. Ich seh immer doch diesen Ausdruck auf seinem Gesicht – und auf ihrem. Macht mich krank. Nachdem ich mich aufgewärmt habe, lasse ich das Haus hinter mir, überquere die Straße und lehne mich an einen Baum. Eine Weile versuche ich zu atmen. Was hab ich mir dabei gedacht? Ich kann es nicht nachvollziehen. Wie war ich so nah rangekommen? Ich hatte es nicht mit Absicht getan. Ich weiß noch, dass mir heiß war. Wollte mich nur hinsetzen und eine Weile ausruhen, um abzukühlen. Ein plötzlicher Schauder schüttelt mich so heftig, dass ich mich am Baum festklammere. Mit Recht trauen sie mir nicht.
    Mir ist schlecht.
    Mitten im Winter, im äußersten Nordosten, bin ich zum Mitternachtsjoggen in einem einsamen Wald losgezogen. Hätte ich das in der Zeitung gelesen, hätte ich gesagt, jemand, der so was macht, ist entweder echt blöde oder hat Todessehnsucht. Mir wird ganz schwindelig. So, als könnte ich mir vielleicht nicht mal selber trauen. So, als würde ich die Kontrolle verlieren. Als hätte ich sie bereits verloren.
    Mir wird langsam kalt. Fröstele vom Schweiß. Fühlt sich schlimmer an als sonst.
    Ich setze meine Route fort. So schön wie heute Nachmittag hab ich den Wald noch nie gesehen. Alle Zweige sind in ihre weißen Ärmel geschlüpft, an manchen Stellen heben sie sich wie Spitze vom Himmel ab.
    Patrick wird das nie sehen. Ich stelle mir vor, es nicht zu sehen. Überhaupt nichts zu sehen. Cals Gesicht. Meinen Vater. Das Ende der Möglichkeiten. Abrupt bleibe ich stehen.
    Und wenn es nun noch mal passiert? Wenn ich panisch werde und was Verrücktes anstelle? Ich wollte doch nur dieses Gefühl zum Schweigen bringen, das ich hatte. Hab blöde Entscheidungen getroffen. Echt blöde Entscheidungen.
    Ich stopfe mir eine Handvoll Schnee in den Mund fange wieder an zu laufen. Werde warm, finde meinen Rhythmus. Mir kommt der Gedanke, dass ich es vielleicht brauche, dass sie mir nicht trauen. Damit ich mich nicht mehr so anstrengen muss zu funktionieren. Und mir von jemandem helfen lasse.
    Zaras Worte vom Mittagessen sprudeln immer wieder an die Oberfläche. Etwas Wahres sagen. Früher hab ich mir gewünscht, ich könnte in Bildern statt Worten sprechen. Einen Stapel Fotos mit mir herumtragen, die ich Leuten als Antwort auf ihre Fragen zeige. Wie geht’s dir könnte mit einer Nahaufnahme von den Mascara umkränzten Augen eines Mädchens beantwortet werden, das eine Gruppe von Jungs in der U-Bahn beobachtet und zu ergründen versucht, ob sie nun süß oder feindselig sind. Die Antwort auf Wie

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