In besten Kreisen
Briefe. Das heißt, falls Leo und seine athletischen Kohorten nicht über uns hereinbrechen. Weißt du was? Ich glaube, ich bin deiner Lina schon einmal begegnet. Sieht italienisch aus, ist von enormer Vitalität und vernarrt in die Dichtkunst des achtzehnten Jahrhunderts. Sie kommt also zusammen mit Grace Knole? Stell dir einen Haushalt mit drei so bemerkenswerten und brillanten Frauen vor, keine verheiratet, und alle haben sie eine ausdrückliche Haltung der Jungfräulichkeit gegenüber.« »Was, zum Teufel, meinst du damit?« »Grundlagenwissen, mein Lieber. Der einen ist ihre Jungfräulichkeit so sicher, daß nur noch das Grab sie in Versuchung führen kann. Die andere bedauert ihr keusches Dasein und wird es, möchte ich behaupten, schon bald und fröhlich dem ersten Mann opfern, der sich ihr im rechten Licht inmitten entsprechend alkoholischer Umgebung präsentiert; und die dritte…« »Du sagst da verdammt beleidigende Dinge!« William sprang auf und stieß dabei die Flasche mit der Anti-Mücken-Essenz um, was jenen Ameisen, die zufällig mit ihr konfrontiert wurden, höchstes Unbehagen bereitete.
»Und die dritte…« »Emmet, um Himmels willen.« »Aha, ich sehe, der kraftschäumende Leo ist heimgekehrt, begleitet von Mr. Artifoni persönlich.« »Vielleicht«, sagte William, »sollte ich mich entschuldigen. Ich dachte, ich hätte es gut gemeint.« »Kein Grund zur Entschuldigung, finde ich. Nur eine Warnung, oder sagen wir besser, eine Vermutung. Mir hat Miss Lina Chisana sehr gefallen, als ich sie kennenlernte, und der Frau, die ich liebe, geht es genauso. Ich hoffe, ich habe dich nicht beleidigt mit meiner Vermutung, was Kates Jungfräulichkeit betrifft; ich bin sicher, sie wäre nicht gekränkt.« »Ach, verdammte Jungfräulichkeit«, sagte William.
»Ganz meine Meinung«, sagte Emmet und stand langsam und würdevoll auf. »Ich freue mich ziemlich auf den Zustrom von Weiblichkeit in unserem Haushalt, vor allem auf Grace Knole. Wann werden sie erwartet? Hast du eine Ahnung?« Unterdessen konferierte Mr. Mulligan mit seiner Aufwartefrau und Köchin über die Cocktailparty, die er für den nächsten Tag plante. »Hoffentlich regnet es nicht«, sagte er, »weil ich ganz Araby eingeladen habe, und wenn wir nicht auch draußen den Rasen überfluten können, dann werden wir nach oben bis in die Schlafzimmer fluten müssen. Opfern Sie den Göttern, Mrs. Pasquale, egal welchen.« Araby
O b es nun an der Unwirksamkeit von Mrs. Pasquales Gebeten lag oder an ihren Göttern oder doch bloß an den meteorologischen Verhältnissen als solchen, das Wetter hätte am Samstag jedenfalls kaum schlechter sein können. Ein Dauerregen tränkte Rasen und Bäume und hinterließ verräterische Pfützen auf allen Gartenstühlen und Tischen. »Na ja«, sagte Mr. Mulligan zu Mrs. Pasquale, »man weiß nie. Schließlich sagt man über das Wetter in den Berkshires: Wenn es dir nicht gefällt, dann warte zehn Minuten. Haben wir die Schlafzimmer abgestaubt, Mrs. Pasquale?« Mrs. Pasquale, die gerade etwas mit hartgekochten Eiern garnierte, ignorierte ihn. Er wanderte zum Wohnzimmerfenster und starrte hinaus.
Natürlich kamen nicht alle Einwohner von Araby – nur die Sommergäste, und von denen wiederum nur diejenigen, die an diesem Wochenende in ihren Ferienhäusern waren und von Mr. Mulligan für einladenswert erachtet wurden. Die Leute, die das ganze Jahr über hier wohnten, wurden nicht eingeladen und erwarteten das auch nicht. Aus allgemein gesellschaftlichen Gründen hätten zwar Mary Bradford und ihr Mann eingeladen werden können, schließlich hatte sie durch ihre Vorfahren irgendwelche Beziehungen zur Mayflower und er zu Scarsdale, aber ihre Persönlichkeit sorgte dafür, daß eine solche Einladung unterblieb. Die Sommergäste nahmen stillschweigend an, daß die Bradfords an Cocktailparties nicht teilnehmen könnten, weil die unvermeidlich, wenn nicht gar konsequent, immer zur Melkzeit stattfinden.
Die Stadt Araby liegt, um den Standardbildband über die Berkshires zu zitieren, nördlich von Pittsfield und verdankt ihren weiterhin ländlichen Charakter der Tatsache, daß die Eisenbahn dort nicht hält.
Sicher ist das höchst Ungewöhnliche, wenn nicht Einmalige an dieser Gegend im westlichen Massachusetts, daß es so gut wie keine Geschäfte gibt. Die Post wird von der »Rural Free Delivery« zugestellt, und Arabys Einwohner haben gelernt, damit zu leben, daß sie für ein Päckchen Zigaretten acht Meilen fahren
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