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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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…«
    Thayer machte eine beschwichtigende Geste.
    »Immer langsam, Anna, das ist etwas voreilig, es würde mich wundern …«
    Annabel hörte ihm nicht mehr zu, sie wählte eine Telefonnummer.
    »Sheriff Murdoch? Hören Sie, ich hab’s mir anders überlegt, behalten Sie den Bericht, ich hole ihn ab. Bei dieser Gelegenheit kann ich Ihnen auch gleich ein paar Fragen zum Morris-Kanal stellen, kennen Sie den? Vielleicht können Sie sich nach einem Museum in Ihrer Gegend erkundigen, in dem man etwas über ihn erfährt. Ich komme heute Nachmittag. Danke.«
    »Darf ich erfahren, was auf einmal in dich gefahren ist?«, fragte Thayer, nachdem sie aufgelegt hatte.
    »Denk an das Rätsel, Jack. Der Zug John Wilkes JC115, die stillgelegte Bahnstrecke, und jetzt die Karte, die den Morris-Kanal zeigt. Bob scheint sich mit alten Transportwegen gut auszukennen. Vielleicht arbeitet er in einem Museum, ist Historiker oder Ähnliches!«
    Die Augen von Brolin, der sich diskret zurückgehalten hatte, blitzten interessiert auf. Annabels Schlussfolgerung war stichhaltig.
    »Wir haben vier Stunden Zeit, um eine Liste aller Museen zu erstellen, die sich mit diesen Themen beschäftigen«, fuhr sie fort. »Ausgehend von Phillipsburg schauen wir uns ganz New Jersey und den angrenzenden Teil von Pennsylvania an. Dann fragen wir Sheriff Murdoch, ob er etwas herausgefunden hat.«
    Brolin erhob sich.
    »Helfen Sie uns nicht?«, fragte Thayer.
    »Das schaffen Sie auch ohne mich. Ich gehe nach Hause, ich muss mich um meinen Hund kümmern und einige Anrufe erledigen«, log Brolin.
    Der Privatdetektiv verabschiedete sich.
    Es war bald Mittag, und der Rat, den Mae Zappe ihm am Vormittag gegeben hatte, war eindeutig: Er musste pünktlich zu dem Treffen erscheinen.
    Der Hof der Wunder wartete nicht.

52
    Die Schlinge um Bobs Hals zog sich mehr und mehr zusammen, und Brolin war nach wie vor überzeugt, dass der Weg zum Meister der Caliban-Sekte über Malicia Bents führte.
    Als er am Morgen aufwachte, hatte er Annabel noch immer in den Armen gehalten. Sie hatten kein Wort darüber verloren, beide hatten es vorgezogen, zu schweigen. Erst beim Frühstück hatte ihm Annabel den Vorschlag ihres Kollegen Thayer eröffnet: eine Zusammenarbeit zwischen ihnen allen – hinter dem Rücken des FBI. Während die junge Frau duschte, hatte das Telefon geklingelt; es war Mae Zappe. Sie hatte ihn gebeten, gegen halb eins vor ihrem Atelier zu warten, wenn er immer noch den Wunsch hätte, mehr über den Hof der Wunder zu erfahren, doch er dürfe Annabel nichts davon sagen. Mae Zappe hatte Angst um ihre Enkeltochter.
    Brolin bog in die Little Nassau Street ein, kam an einem improvisierten Basketballfeld vorbei, auf dem eine Gruppe Jugendlicher trainierte, und lief an schmutzigen verfallenen Mauern entlang. Vor dem Eingang zu ihrem Atelier prangte noch immer die riesige Fratze, eingerahmt von seinem aufgerissenen Maul, eine männliche Gestalt, die am Türrahmen lehnte. Als Brolin näher kam, blickte der Mann auf – ein Afroamerikaner von knapp dreißig Jahren mit misstrauischen Augen, Schnauzer und Spitzbart, die seine harten, kantigen Züge und die hohen Wangenknochen noch unterstrichen. Als er Brolin kommen sah, stieß er sich mit den Ellenbogen von der Wand ab und ging ihm entgegen.
    »Sind sie der Freund von Manbo Zappe?«
    Brolin nickte, obwohl ihm das Wort Manbo fremd war.
    »Die Beschreibung trifft ziemlich gut zu. Ich bin übrigens Nemek. Kommen Sie, wir gehen.«
    Nemek führte ihn in eine schmale, etwas abseits gelegene Gasse, stieg über Haufen von Kartons und Papier hinweg, ohne den Mund ein einziges Mal aufzumachen. Schließlich blieb er unter einer Feuerleiter stehen und zog sie herunter, so dass die beiden Männer auf das Dach eines vierstöckigen Gebäudes steigen konnten. Das Flachdach war mit einem Schneeteppich bedeckt und von unbenutzten Wäscheleinen überzogen, die ein eindrucksvolles Spinnennetz webten. Nemek trat zur Seite und zog eine Zigarette aus der Tasche, wobei er Brolin musterte.
    »Wer hat Ihnen vom Hof der Wunder erzählt?«, wollte er wissen.
    »Ein Freund.«
    Nemek zündete seine Zigarette an und stieß den Rauch aus, der sich sogleich im eiskalten Wind auflöste.
    »Wer?«
    Brolin seufzte.
    »Lucas Shapiro.«
    Die kleinen Augen von Nemek fixierten den Privatdetektiv voller Neugier. Er zog die Brauen hoch.
    »Kenne ich nicht. Aber damit eins klar ist: Ich habe großen Respekt vor Mae, und sie hat mich gebeten, dir zu helfen. Mae sagt, man

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