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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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begann er. »Ursprünglich wollte ich Profiler beim FBI werden. Nach der Uni habe ich meine Ausbildung in Quantico absolviert und es bis zum Federal Agent gebracht, doch dann habe ich meine Pläne aufgegeben. Ich hatte mir einen Traum rund um diesen Beruf zurechtgesponnen, doch die Praxis vor Ort sieht ganz anders aus. Ich bekam Angst, den Rest meiner Tage mit Arbeitsbedingungen zu verbringen, die mir nicht zusagen. Auch auf die Gefahr hin, als verwöhntes Kind zu gelten, das nicht weiß, was es will, bin ich gegangen: zwei Jahre FBI und dann die Rückkehr nach Oregon. Ich habe bei der Kripo von Portland angefangen, um praktisch zu arbeiten. Und meine Ausbildung zum Profiler hat es mir ermöglicht, schon bald interessante Fälle zu übernehmen.«
    Er trank einen Schluck von dem Bier, das von der Januarkälte noch frisch war.
    »Dann kam die Affäre Leland Beaumont, der Serienmörder, und schließlich das Phantom von Beaumont. Als sich die Presse der Sache annahm, wurde er umgetauft und hieß fortan das Phantom von Portland. Das scheint weniger intim zu sein, leichter zugänglich.«
    »Wenn ich mich recht erinnere, waren es mehrere, nicht wahr?«
    Brolin dachte einen Augenblick nach und lauschte auf die heranrollenden Brandungswellen.
    »Nicht ganz, es war etwas komplizierter. Es gab mehrere Beinamen: der Schattenmann, das Phantom … Aber letztlich hielt ein Einziger die Fäden in der Hand. Wenn ich an ihn denke, nenne ich ihn Dante.«
    Jede Erinnerung an diese Zeit löste Wogen von Traurigkeit in ihm aus, der Schmerz schlug wie ein Gewitter gegen seine Brust, zerriss Herz und Seele mit seinen Blitzen. Immer wieder musste er an seine Zeit als Detective zurückdenken, an das Phantom von Portland, an »Dante«, und wie dieser sein Leben ins Wanken gebracht hatte. Im Laufe dieser Ermittlung hatte er alles erlebt – berufliche Anerkennung wie auch Enttäuschung, Inspiration, Gefahren und sogar Liebe. Und am Ende stand tiefer Schmerz, ein Verlust, den er nicht hatte verwinden können und der schließlich zu seiner Kündigung geführt hatte.
    »Warum Dante und nicht sein richtiger Name?«
    Brolin erwachte aus seinen Tagträumereien und führte die Flasche zum Mund.
    »Weil er ihm ähnelt«, sagte er nach einem Schluck, »er hat die sieben Kreise der Hölle durchquert. Vielleicht auch, weil ich seine Identität nicht wahrhaben will«, gestand er nach einer Weile.
    Annabel runzelte die Stirn, wagte es aber nicht, die Frage zu stellen, die Erklärung musste von Brolin kommen.
    »Er verdient es nicht, so bekannt zu sein«, erklärte dieser schließlich. »Überall wird von ihm gesprochen, Bücher sind über ihn geschrieben worden, seine Opfer aber bleiben vergessen, Gesichter ohne Namen.« Brolin wandte sich zu Annabel. »Das ist meine Art, ihn zu entmenschlichen.«
    Das Mitgefühl, das Annabel ihm entgegenbrachte, hatte nichts Gekünsteltes, nichts Aufgesetztes, es war echt. Vom ersten Augenblick an hatte ihr etwas an diesem Mann Vertrauen eingeflößt. Er schien völlig gleichgültig gegenüber der Meinung seiner Mitmenschen, er lebte zwar in der Gesellschaft, beugte sich aber nicht ihren Regeln. Brolin war vom Nimbus der wahren Freiheit umgeben und auch von dem des Leides, das der Preis dafür gewesen war.
    Sie legte die Hand auf seinen Arm – eine tröstliche, unzweideutige Geste – und fragte sich, wie er einen solchen Hass gegen diesen Dante hatte entwickeln können. Über dessen Verbrechen hinaus musste etwas Persönliches dahinter stecken.
    »Als Dante verhaftet wurde, habe ich mich weit von allem entfernt. Dann habe ich meinen Dienst bei der Polizei quittiert. Ich bin mehrere Monate gereist, ohne zu wissen, was ich anschließend tun würde.«
    »Was hat Sie zur Rückkehr bewogen?«
    Ihre Stimme war sanft, vom Wind getragen wie eine Liebkosung.
    »Der Stein.«
    Er trank einen weiteren Schluck und blickte aufs Meer.
    »Die Abreise war keine Flucht. Eher eine Reaktion auf einen Ruf, auf die Frage nach dem Warum, nach dem Sinn des Lebens. Das alte Europa, die Wiege unserer Geschichte, schien mir ein ideales Ziel. Ich brach auf, um nach einem Grund zu suchen weiterzuleben. Zunächst Frankreich, dann Italien. Ich durchquerte das ehemalige Jugoslawien, dann entdeckte ich Griechenland … Doch nichts sprach mich wirklich an. Von den Stadtmauern Carcassonnes aus sah ich, wie die Sonne unterging, sah, wie das Meer im Ursprungsland des Herkules seine Taten widerspiegelt, doch nichts berührte mich. Mein nächstes Ziel war

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