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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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konnte sich eigentlich nicht vorstellen, daß ein Angestellter des Hotels der Täter war. Einen verschlossenen Koffer zu öffnen, ohne die geringste Spur oder auch nur einen Kratzer zu hinterlassen, war eine Kunst, die nicht viele beherrschten. Die Polizei? Aber Mr. Li hatte sie ja alle durch den Zoll geschleust, und an der Grenze hatte niemand sie wegen ihrer ungeheuren Vorräte an Vitaminen und Dörrobst befragt. Oder war es vielleicht ihr Kollege, der geheimnisvolle Agent, gewesen? Wer er auch sein mochte, er hatte wirklich keinen Grund, ihr Gepäck zu durchwühlen. Er war ja ohnehin im Vorteil, denn er wußte, wer sie war, und wußte auch, was sie mit sich führte.
    So ein wunderschöner Abend, und dann endet er so schrecklich und verwirrend, dachte sie.
    Ihr war mehr als unbehaglich zumute. Ich begreife das nicht, und es mißfällt mir sehr. Es ist fast als ob... Sie wagte diesen Gedanken nicht zu Ende zu führen. Hastig zog sie den Schlafanzug aus dem Koffer.

5. Kapitel
    »Dürfen wir sehen, was Sie gestern abend im Park gezeichnet haben?« fragte Mrs. Pollifax Malcolm beim Frühstück.
    »Ich habe meine Skizzen schließlich alle an mein Publikum verteilt«, erzählte er bekümmert.
    »Wir haben hier eine ganz schöne Anziehungskraft. Wo wir auftauchen, bildet sich gleich ein Menschenauflauf.« Er lächelte Iris über den Tisch hinweg zu. Sie errötete wie immer, und doch erwiderte sie sein Lächeln mit strahlendem Gesicht.
    »Für heute ist ja allerhand geplant«, bemerkte Joe Forbes, klemmte eine Erdnuß zwischen seine Eßstäbchen und hob sie der Übung halber hoch.
    »Das kann man wohl sagen«, stimmte ihm Mrs. Pollifax zu.
    Miß Bai hatte das gesamte Programm für ihren Aufenthalt in Xian in fehlerlosem Englisch an die Wand des Speisesaals geheftet. Doch für Mrs. Pollifax zählte nur, daß sie nach dem Glockenturm und der Wildganspagode auch den Trommelturm besichtigen würden.
    Mrs. Pollifax hatte im Hinblick auf den Trommelturm noch keine konkreten Vorstellungen.
    In Carstairs Büro in Langley Field in Virginia war ihr diese Mission kinderleicht erschienen, und sie hatte den Auftrag angenommen, ohne zu zögern. Doch an Ort und Stelle sah die Sache dann ganz anders aus. Sie hatte ja nicht die leiseste Ahnung, auf welche
    Schwierigkeiten sie hier stoßen konnte, sie wußte nicht einmal, ob sie den Friseurladen von Guo Musu überhaupt finden würde. Sie wagte nicht, sich nach einem Friseur in der Nähe des Trommelturms zu erkundigen. Denn wenn es den tatsächlich gab, würde Mr. Li oder Miß Bai sie sicherlich hinführen. Schließlich hatte sie sich damit abgefunden, daß es unmöglich war, ihre Strategie im voraus abzustecken, um sich dann daran zu halten. Verzagt dachte sie an diesen wichtigen Augenblick, an den Trommelturm und Guo Musu, falls sie ihn überhaupt jemals fand. Doch ihr Selbstvertrauen gewann schon bald die Oberhand. Zuversichtlich sagte sie sich, daß sich schon alles finden würde. Ein Wunder würde geschehen.
    Zuvor wollten sie jedoch am Vormittag das Dorf Ban-Po besuchen. Das würde Iris gefallen.
    Dann war das Kaufhaus an der Reihe, wo Jenny ihre Mao-Jacke und -Mütze kaufen konnte.
    Mrs. Pollifax tat, als gefiele ihr das auch, als sei das ein ganz gewöhnlicher Tag und der Nachmittag nicht weiter von Bedeutung - als sei ihr Koffer nicht erst am Abend zuvor durchsucht worden.
    Nördlich des Dorfes Ban-Po, etwa 10 km nordöstlich von Xian, ist eine ›jungsteinzeitliche Ausgrabung‹ mit einem kleinen Museum zu sehen. Die Gruppe wurde zunächst in einen Raum geführt, wo man ihnen allen Tee servierte und sie unterrichtete. Der Führer des Museums lieferte die Fakten, während sie ihren siedend heißen Tee schlürften, und Miß Bai übersetzte alles ins Englische. Das ausgegrabene Dorf gehört der Yangschau-Kultur (6000 v.
    Chr.) an. Es wurde durch Zufall 1953 entdeckt und 1958 zur Besichtigung freigegeben. Man erkennt Häuser, Gräber, Speichergruben und Werkzeuge. Im Museum sind Bilder,
    verschiedene Gebrauchsgegenstände, Schmuck und vieles andere mehr aus dieser Epoche zu sehen. Vieles spricht dafür, daß damals ein Matriarchat herrschte...
    Kaum den Belehrungen entflohen, ließ sich Mrs. Pollifax die eben gehörten Fakten durch den Kopf gehen. Sie sagte sich, daß Fakten nichts über das Drama der Arbeiter aussagten, die hier mit dem Bau einer Fabrik begannen und statt dessen auf die Überreste eines achttausend Jahre alten Dorfes stießen. Während sie die Laufstege und Planken

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