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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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in dem Gebäude
    entlangging, die zum Schutz der Ausgrabungen errichtet worden waren, versuchte sie sich diesen Zeitraum von achttausend Jahren vorzustellen. Das gelang ihr nicht. Achttausend war nur eine Zahl für sie. Unter solchen Äonen konnte sie sich nichts vorstellen, doch eins erkannte sie - als schwebte der Duft vergangener Zeiten noch über dem Dorf: die Genialität und Intelligenz, das handwerkliche Geschick der Chinesen. Das alles manifestierte sich in den sorgsam ausgeführten Gräben zwischen den Häusern, den verspielten Mustern auf alten Gefäßen. Ihre toten Kinder hatten sie in großen eiförmigen Urnen aus Ton beerdigt, als seien sie als Embryos in den Mutterleib zurückgekehrt. All das erfüllte sie mit Stolz auf das Menschengeschlecht. Was würden die Archäologen im Jahre 10000 wohl vorfinden, wenn sie bei ihren Ausgrabungen auf die Überreste des zwanzigsten Jahrhunderts stießen? Würde irgend etwas unter den Funden auf Intelligenz schließen lassen oder würde alles nur auf Dummheit und Gewalt hinweisen?
    Auf der Rückfahrt nach Xian war Mrs. Pollifax unbeschreiblich hungrig. Miß Bai erklärte Peter und Jenny gerade, auf welche fünf Punkte die Regierung momentan den größten Wert legte: Zivilisation, Sittlichkeit bzw. Sittenreinheit, Ordnung, Sauberkeit und gute Manieren.
    Sie nannte ihnen auch die Vier Verschönerungen, die es ins Auge zu fassen galt, was die Denkweise, die Sprache, das Herz und die Umwelt anging.
    Mrs. Pollifax schämte sich, weil sie gähnen mußte. »Warum bin ich bloß jetzt schon wieder hungrig?« jammerte sie. Joe Forbes, der neben ihr saß, spöttelte liebenswürdig: »Erdnüsse zum Frühstück! Was kann man da schon erwarten?«
    »Ich habe auch ein hartgekochtes Ei gegessen«, protestierte Mrs. Pollifax.
    Malcolm rief ihnen über den Gang hinweg zu: »Das liegt meines Erachtens an den
    Eßstäbchen. Da denkt man leicht, man hätte eine Menge gegessen...«
    Iris wandte sich um und sagte: »Aber sie ist die größte Expertin unter uns, ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?« Sie strahlte Mrs. Pollifax an. »War das Dorf Ban-Po nicht fantastisch? Ich hoffe, ich habe den Fremdenführer nicht allzusehr mit Beschlag belegt. Achttausend Jahre alt! Das muß man sich mal vorstellen. Der Grabhügel des Kaisers Tjinschi Huangdi ist dagegen noch fast neu - aus den Jahren 221-209 v. Chr.«
    »Schon fast zeitgenössisch«, warf Malcolm boshaft ein. »Wahrscheinlich macht uns die Kultur so hungrig.«
    Doch der Blick von Mrs. Pollifax fiel auf George Westrum, der neben Iris saß. Der Blick, mit dem er Iris ansah, machte Mrs. Pollifax regelrecht Angst. Sie dachte: George ist auf dem besten Weg, dieser Frau noch völlig zu verfallen. Eine sonderbare Wortwahl. Anbetung lag in seinem Blick, Ergebenheit, Verehrung.
    Die Verbindungen, die sich bereits ergeben hatten, begannen sie zu interessieren. Die Kinder zum Beispiel - wie Malcolm Peter und Jenny immer noch nannte - hatten sofort
    zueinandergefunden. Iris redete mit allen, aber Mrs. Pollifax fiel auf, daß es George Westrum meistens so einzurichten verstand, daß er neben ihr saß. Mit unergründlichem
    Gesichtsausdruck. Doch ihr lebhaftes Mienenspiel entging ihm nicht. Jede kleinste Regung nahm er wahr. Wenn sich Malcolm zu ihnen gesellte, suchte George dessen Gesicht mit den Augen, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Iris war Malcolm gegenüber wachsam und wurde hä ufig rot. Mrs. Pollifax war sich nicht sicher, ob sein Charme oder seine Schriftstellerei Iris so verwirrten.
    Aus Joe Forbes wurde Mrs. Pollifax nicht schlau. Er erschien ihr undurchsichtig. Er war zwar immer zugegen, lächelnd und liebenswürdig, und steuerte häufig einen kurzen Kommentar oder eine witzige Bemerkung bei, und doch kam er ihr immer geistesabwesend vor. Sie hätte gern gewußt, ob das jemand anderem auch noch aufgefallen war. Er machte sich so wenig bemerkbar, so daß manch einer schon ganz instinktiv hinzugefügt hatte: »Ja, und Joe auch.«
    Ob das wohl bedeutete, daß er der Agent war, der sich ihr am Nachmittag nach dem Gang zum Trommelturm zu erkennen geben würde? Über Berufsagenten wußte sie nur wenig, und das zumeist aus Büchern oder Filmen. Doch ihr war schon zu Ohren gekommen, daß
    hauptberufliche Agenten sich zuweilen sehr darum bemühten, ihre Persönlichkeit ganz auszulöschen, um in den Genuß der Anonymität zu kommen. Das konnte zur Gewohntheit werden. Der Persönlichkeitsverlust war dann nicht mehr rückgängig zu machen. Mit

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