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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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fiel wie ein silbriger Vorhang auf die tiefer gelegenen Felsen. Es rauschte und schäumte wie nicht anders zu erwarten, doch kein Sonnenstrahl drang in diese urweltliche Landschaft. Steil ragte der Berg wie eine Mauer zur Linken auf. Auf den schmalen, in den Hang gehauenen Pfaden hatten sich von dem Wasserfall Lachen gebildet. Sie wirkten rutschig und überaus gefährlich.
    Mr. Li führte sie stolz zu dem Wasserfall und verkündete: »Hier machen wir ein Picknick, nachdem wir die Reitkünste der Kasachen bewundert haben. Wir legen unser Bier hier in den Gebirgsfluß, damit es kalt bleibt.« Mr. Kan war schon dabei, die Kartons mit dem Bier aus dem Bus zu hieven und sie nacheinander ans Wasser zu schleppen.
    »Kommt das hier nicht weg?« erkundigte sich Jenny.
    Mr. Li mußte lachen. »Nein, auf keinen Fall. An den Wochenenden kommen oft Studenten von der Universität hier herauf, aber heute nicht.« Er besann sich und fügte noch hinzu:
    »Das ist ein sehr gefährlicher Weg, die Felsen sind so glatt. Erst vor zwei Wochen ist ein Student ausgerutscht und abgestürzt. Es war sofort tot.«
    Da durchzuckte Mrs. Pollifax ein eisiger Schreck. Rasch sah sie Peter an. Sie dachte: Hier wird es also sein, hier wird Peter auf Nimmerwiedersehen verschwinden, einfach untertauchen. Er wird einen Schuh oder seine Jacke zurücklassen - irgend etwas, das darauf schließen läßt, daß er abgestürzt ist... Peter starrte mit zusammengekniffenen Augen und ausdrucksloser Miene wie gebannt auf die Felsen und den tosenden Wasserfall.
    Mr. Li beförderte sie wieder in den Bus zurück. »Aber erst sollen die Kasachen uns ihre Reitkünste vorführen«, erklärte er. »Zum Essen ist es noch zu früh.«
    Sobald sie alle eingestiegen waren, fuhr der Bus wieder los.
    Die Schlucht wurde allmählich breiter, sie hatten einen immer freieren Blick und gelangten schließlich zu dem atemberaubend weiträumigen, herrlich grünen Weideland, das sich erstreckte, so weit das Auge reichte. Zu beiden Seiten schroffe Felsen. Mrs. Pollifax fühlte sich wie befreit, als sie den Himmel und die Sonne wieder sah. Sie hörte Malcolm sagen:
    »Erstaunlich, hier sieht es ja wie in der Schweiz aus!«
    Das kann schon sein, dachte Mrs. Pollifax. Allerdings erblickten sie mehrere Jurten im Vordergrund der ausgedehnten Weide. Die Männer, die sich ihnen näherten, hatten ziemlich dunkle Haut und hohe Wangenknochen. Sie trugen blaue Mao-Jacken und abgelaufene
    Stiefel. Mr. Li verhandelte mit ihnen und verkündete, daß die Vorstellung bald beginnen würde. Er wies auf eine Stelle, wo die Wiese am Rande etwas anstieg, und schlug ihnen vor, dort hinzugehen und zu warten.
    »Hingehen und warten«, wiederholte Iris grinsend, als sie aus dem Bus sprang. »Tun wir überhaupt noch etwas anderes?«
    »Wir sind alle reisemüde«, meinte Malcolm mitfühlend. »In ein paar Tagen ist dieser tote Punkt überwunden, dann geht es wieder mit Volldampf voraus.«
    »Das ist natürlich ein Riesenfortschritt, verglichen mit dem Hingehen und Warten«, neckte ihn Iris.
    Mrs. Pollifax schwieg dazu. Sie war schon vom frühen Morgen an bedrückt gewesen, doch die Stelle, wo sie picknicken sollten, und der Wasserfall versetzten sie in die schwärzeste Stimmung. Das Warten schien ihr ganzer Daseinszweck zu sein.
    Sie wartete mit jeder Faser ihres Wesens, wartete darauf, daß Peter sein Verschwinden deichselte. Ich lasse ihn ja nicht mehr aus den Augen, warf sie sich vor. Ich darf ihn nicht ständig beobachten. Er wirkte so entspannt und heiter, daß sie ihm fast böse war. Sie waren inzwischen an einem kleinen Erdwall angelangt, der ihnen einladend erschien, und setzten sich darauf oder streckten sich im Gras aus, während sich die Kasachen in der Ferne hoch zu Roß aufstellten, miteinander lachten und sich fröhlich unterhielten.
    »Das sieht mir aber sehr nach Männlichkeitswahn aus«, bemerkte Iris voller Mißtrauen.
    Joe Forbes hatte sich ein Fernglas umgehängt und sah hindurch. »Das sind nicht nur Männer«, beruhigte er sie. »Es sind auch zwei Frauen dabei. Hurra, jetzt geht es gleich los!«
    Die Vorstellung begann. Die Kasachen auf ihren Pferden boten so ein prächtiges, rasantes Schauspiel, daß Mrs. Pollifax während der nächsten halben Stunde Peter fast vergaß. Die Kasachen galoppierten die Wiese entlang, um ihre herrlichen Pferde zur Schau zu stellen.
    Dann preschten sie erst richtig los und veranstalteten ein Pferderennen. Es folgte ein aufregendes Tauziehen, bei dem es um ein

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