in China
aufgedreht und quicklebendig gefühlt. Ihr war nur gerade nichts anderes eingefallen, um die Distanz zwischen ihnen zu vergrößern. Jetzt waren Forbes und Peter so miteinander beschäftigt, daß sie sie ganz vergessen hatten. Ohne die beiden auch nur eine Sekunde aus den Augen zu verlieren, tastete sie mit der gesunden rechten Hand den Boden ab. Ihre Finger schlossen sich um einen glatten Stein zu ihren Füßen. Als Forbes gerade den Mund
aufmachte, um Peter weiter zu beschimpfen, hob sie den Arm und warf den Stein. Sie traf Forbes an der Schulter. Der Stein verletzte ihn zwar nicht, doch er geriet aus dem Gleichgewicht. Er fiel nach hinten. Bevor der erschrockene Peter sich überhaupt rühren konnte und Forbes sein Gleichgewicht wiedererlangt hatte, war Mrs. Pollifax erstaunlich behende aufgesprungen, hatte sich auf Forbes gestürzt und ihm blitzschnell einen
Karateschlag verpaßt. Und gleich darauf noch einen kräftigen Handkantenschlag gegen die Schläfe. Forbes brach ohne einen Laut zusammen, streckte alle viere von sich und starrte blicklos ins Leere.
»Großer Gott«, keuchte Peter, eilte zu ihm und entwand ihm die Pistole. Das war nicht weiter schwierig. Forbes hatte zwar den Finger noch am Abzug, doch sein Griff hatte sich schon gelockert. »Mrs. Pollifax, haben Sie mir nicht erzählt, daß Sie erst den braunen Gürtel haben?«
»Ja, ganz recht.« Sie kniete neben Forbes nieder und erstarrte.
»Oh, wie schrecklich, ich fürchte, er ist tot!«
»Und das finden Sie schrecklich?«
Mit zittriger Stimme stammelte sie: »Ich habe erst einmal einen Menschen getötet, das war der reine Selbsterhaltungstrieb, sonst hätte er mich umgebracht. In einem Kornfeld in Albanien war das. Ich werde die Szene vor Augen haben, solange ich lebe. Und ich hatte gehofft, so sehr gehofft...« Ihre Stimme brach, doch gleich darauf hatte sie sich wieder in der Gewalt.
Sie blickte sich um. Noch war niemand zu sehen. »Aber den Rest müssen Sie besorgen, Peter. Ich kann es einfach nicht.«
»Was soll ich besorgen? Und was können Sie nicht?«
Nachdenken, ermahnte sie sich, alles gut überlegen. Nur noch ein Weilchen stark sein.
»Peter, Forbes hat einen Fehler gemacht. Er hätte Ihnen einfach folgen sollen, nachdem Sie sich abgesetzt hatten, ohne sich zu erkennen zu geben. Dann hätte er Sie töten können, sobald er Wang hatte. Doch jetzt ist er tot, und Sie sind noch am Leben, dem Himmel sei Dank. Wir müssen jetzt schnell überlegen, was zu tun ist, und entsprechend handeln.« Sie stand auf. Die aufrechte Haltung verlieh ihr neue Kraft. »So wie jetzt alles aussieht, darf es auf keinen Fall bleiben. Man muß Forbes' Leichnam hier finden, das sehen Sie doch ein, oder nicht? Es geht nicht an, daß Sie mit einemmal alle beide verschwunden sind. Zwischen Ihnen beiden muß es zum Kampf gekommen sein. Und zwar hier.« Sie machte eine Kopfbewegung. »So ist es vielleicht sogar besser, aber Sie müssen es tun.«
»Was denn tun?« fragte er völlig verwirrt. »Das muß wohl der Schock sein. Ich kann überhaupt nicht mehr denken!«
Mrs. Pollifax nickte. »Mein Pferd ist vor aller Augen mit mir durchgegangen. Das Pferd liegt jetzt zerschmettert unten in der Schlucht. Ich habe mir das Handgelenk gebrochen. Sie haben mich gerettet. Forbes ist Ihnen oder uns beiden gefolgt, es ist zum Kampf gekommen. Dabei hat er Sie getötet.«
»Aber weshalb sollte es zum Kampf gekommen sein?« schrie er.
»Das spielt doch jetzt keine Rolle. Mir wird schon noch irgend etwas einfallen. Was Sie jetzt tun müssen, ist folgendes.« Sie nahm ein langes Messer aus der Tasche, das sie sich in Urumchi als Souvenir gekauft hatte, und zog es aus der Scheide.
»Was wir jetzt vor allem brauchen, Peter, ist Blut. Sehr viel Blut. Schleifen Sie Forbes zum Abgrund, schnell! Ich werde die Schleifspuren gleich hinter Ihnen verwischen... Er sollte eine Hand in Ihre Mao-Jacke krallen - oder wenigstens in einen blutdurchtränkten Ärmel Ihrer Jacke. Jedenfa lls in irgend etwas, das Ihnen gehört. Und sein Kopf muß über den Rand des Abgrunds hängen, damit es aussieht, als hätte er noch nach Ihnen gegriffen, als Sie in die reißenden Fluten gestürzt sind.
Aber wir brauchen unbedingt Blut!«
»Lieber Himmel«, murmelte Peter so gottergeben, daß es schon fast ehrfürchtig klang.
Er zog seine Mao-Jacke aus.
»Sie sollten sie zerreißen«, riet sie ihm, nachdem er den toten Forbes zu der Erdspalte gezerrt hatte. »Und noch etwas müssen Sie tun. Es tut mir
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