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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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kleines Boot genau auf Kurs.
    Vom Wasser aus wirkte alles so anders, genauso wie von einem Zug aus, weil man durch Teile der Städte fuhr, die man sonst nie zu Gesicht bekam. Es war eine völlig andere Welt. Rechts von ihnen standen die Häuser mit den dazugehörigen Anlegern, an denen größtenteils Boote festgemacht waren. Wenn erst das Wochenende kam, wären alle auf dem Wasser, um zu angeln und herumzuschippern. Links von ihnen befanden sich kleine Inseln, meist nur kleine Sandhügel mit Gras und vielleicht ein paar Bäumen.

    »Wir sind gleich da«, rief Annie Laurie über den Wind hinweg. Sie steuerte das Boot nach links, aus dem Hauptkanal hinaus, und drosselte das Tempo, bis sie in so seichtes Gewässer kamen, dass sie auf Grund gelaufen wären, hätte nicht gerade Flut geherrscht. Das Grün des Marschgrases, das Blau des Wasser und des Himmels, das Weiß der dicken flauschigen Wolken über ihnen … ein Anblick, der Cassandra fast den Atem raubte.
    Als das Boot um die kleine Landzunge herumfuhr und auf eine Bucht zufuhr, hörte Cassandra Annie Laurie nach Luft schnappen. Ein zweites kleines Boot lag bereits vor Anker, mit einem Jungen, der an der Reling stand und angelte.
    »Was ist?«
    Der Junge schien Annie Laurie zu erkennen, weil er winkte, doch Annie Laurie winkte nicht zurück. Stattdessen schaltete sie den Motor aus und ließ das Boot Richtung Ufer treiben. »Was tust du hier?«, rief sie, als sie an dem Jungen vorbeikamen.
    Er sah sie leicht verblüfft an. »Äh, angeln.« Er war in Annie Lauries Alter, groß und dünn, braun gebrannt wie eine Rosine und hatte welliges rotes Haar. Er schaute ihnen nach, als sie vorbeifuhren.
    Annie Laurie hob den Motor aus dem Wasser, ehe sie hineinsprang, um das Boot näher an den Strand zu ziehen. »Wer ist das?«, fragte Cassandra, als sie ausstieg.
    »Jim Styron.«
    »Er sieht nett aus.«
    »Er ist ganz okay«, erwiderte Annie Laurie lässig. Zu lässig. »Aber das hier ist mein Platz. Ich habe hier noch nie jemanden sonst gesehen.«
    Aha!, dachte Cassandra. Sie mag ihn also. »Aber eigentlich sieht es nicht so aus, als würde er uns stören.«
    Annie Laurie zuckte die Achseln und ging auf eine Ansammlung von Bäumen zu, die einige Meter entfernt standen.

    »Er ist nett«, fuhr Cassandra fort, als sie ihr durchs Gestrüpp folgte.
    Wieder zuckte Annie Laurie die Achseln. »Kann sein.«
    Oh je, dachte Cassandra, nicht einmal für eine Million Dollar möchte ich noch mal in diesem Alter sein. Und doch schien sie in Liebesdingen nicht viel erfolgreicher zu sein als das Mädchen. Zwölf und fünfundvierzig - wer hätte gedacht, dass sie so viel gemeinsam hatten.
    In den Schatten der Mangroven zu treten, war, als tauche man in eine völlig neue Welt ein, dämmrig und kühl, eine köstliche Wohltat nach der glühenden Sonne. »Ah«, stieß Cassandra hervor.
    Annie Laurie sah sie an. Auf ihrem sommersprossigen Gesicht lag tiefer Ernst. »Gefällt es dir?«
    »Ich bin absolut begeistert.« Sie musste sich ein wenig bücken, um sich in dem Kreis aus Bäumen bewegen zu können. »Es ist fast wie in einem kleinen Zimmer.«
    »Ich weiß.« Annie Laurie setzte sich hin und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen der Baumstämme. »Ich komme manchmal her, um zu lesen. Oder um nachzudenken.«
    Cassandra trat neben Annie Laurie und setzte sich. »Ah«, sagte sie noch einmal und legte den Kopf in den Nacken, um durch das Blätterdach zu blicken. »Perfekt.«
    »Normalerweise werden die Bäume nicht so hoch, aber diese Insel liegt nahe am Ufer, deshalb ist sie gegen den Wind geschützt.«
    »Wie hast du sie gefunden?«
    »Ich habe sie eines Tages entdeckt. Manchmal, wenn Oma nicht zu Hause ist, lassen May und Walton mich auf eigene Faust losziehen. Die Teenager kommen hier nicht her, weil es zu weit weg ist und man es bei Ebbe nicht erreichen kann. Außerdem gibt es hier kein Bier oder so was.«
    Cassandra verspürte einen Anflug von Besorgnis bei der Vorstellung, dass Annie Laurie ganz allein hier war. Was,
wenn genau diese Teenager, ein betrunkener Fischer oder ein irrer Serienmörder auf sie stieß? Cassandra war in diesem Alter selbst häufig durch den Wald gestreift, ohne sich Gedanken zu machen, dass etwas passieren könnte. Aber die Zeiten hatten sich geändert. »Und du bist sicher, dass dir nichts passieren kann, wenn du allein hierherkommst?«
    Annie Laurie nickte. »Aber ja. Ich habe keine Angst. Ich hab ja meine Waffe hier.« Sie grinste, als Cassandra sie verblüfft

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