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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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Vorhänge und Handtücher eine halbe Ewigkeit benutzt. Und mittlerweile war Mays Haus zu ihrem Heim geworden.
    Doris ging ins Badezimmer und öffnete vorsichtig die Tür
zum angrenzenden Raum. Annie Laurie lag mit dem Rücken zur Tür. Sie hatte Laken und Decke ans Fußende gestrampelt, und auf dem Kissen hinter ihr lagen ein aufgeschlagenes Buch und eine Taschenlampe. Sie war also wieder die halbe Nacht wach gewesen und hatte gelesen. Dieses Mädchen war einfach nicht zur Vernunft zu bringen. Obwohl Doris ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie, dass sie das Daunenkissen unter ihrem Kinn zusammengerollt und beide Fäuste nebeneinander unter ihr Kinn gelegt hatte, als spreche sie ein letztes Gebet, ehe sie den Kampf aufnahm. Von hinten sah sie so sehr wie Doll aus, bis auf das rote Haar - ein Anblick, der Doris von Zeit zu Zeit Angst einjagte. So würde es wohl auch immer bleiben, und es war nicht Annie Lauries Schuld, dass sie ausgerechnet einer Tante glich, die sie niemals kennen gelernt hatte.
    Als sie die Tür schloss, machte sich wieder dieses Gurgeln und Rumoren in ihrem Magen bemerkbar. Es hatte sie die halbe Nacht wach gehalten und war noch immer nicht vorbei. Ihr Leib war aufgedunsen und wölbte sich unter ihrem Nachthemd, als hätte sie eine Melone verschluckt. Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie es war, keine Verdauungsprobleme zu haben. Aber meine Güte, jeder hatte sein Kreuz zu tragen.
    Als sie sich gewaschen, angezogen und Annie Laurie geweckt hatte, war es Zeit, nach unten in die Küche zu gehen. May hatte bereits das Frühstück fertig, und dann wäre es auch schon Zeit, zur Arbeit zu gehen. Ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag. Es waren genau diese normalen Tage, die Doris am liebsten mochte, nicht wie die Mehrzahl der Leute, die Feiertage, Ferien und solche Dinge bevorzugten. Sie wünschte sich Tage, an denen nichts Besonderes geschah, Tage, an denen alles wie gewohnt war. Aufstehen, zur Arbeit gehen, essen, schlafen, mit anderen Leuten reden, zur Kirche gehen, fort und fort, ohne Überraschungen. Die Ordnung und die
Regelmäßigkeit, das war es, was das Leben angenehm machte, etwas, das sie Annie Laurie jeden Tag beizubringen versuchte, aber dafür war das Mädchen noch zu jung. Eine Zwölfjährige konnte nicht verstehen, dass es mehr im Leben gab als den Augenblick, den Wunsch, dass etwas Aufregendes passierte. Solange sie in ihren Büchern nach spannenden Dingen suchte, machte sich Doris keine allzu großen Sorgen. Erst später, wenn sie anfinge, dieses Aufregende in der Außenwelt zu suchen, würden die Probleme anfangen, so wie bei all ihren Kindern. Und wie bei allen Kindern ihrer Kinder, vermutete sie.

10
    May liebte den Morgen, dieses Gefühl eines neuen Versuchs, alles richtig zu machen, das sie überkam, wenn sie an der Spüle stand und genüsslich die Düfte einsog: die salzige Brise, die durchs offene Fenster hereinwehte, das Aroma des Kaffees, wenn sie die Dose öffnete und ihn in den Kaffeefilter tat, der Speck, der in Moms alter Gusspfanne brutzelte. Sie liebte es, allein in der Küche zu sein, während alle anderen noch schliefen. Schon bevor der Tag anbrach, kochte sie Kaffee, setzte sich mit einer ersten Tasse hin und las die Zeitung. Sie sah sich an, wer gestorben war, wer im Gefängnis saß, wer geheiratet hatte oder geschieden worden war, alles, was in der Gegend als Neuigkeit galt. Salter Path war so klein, dass so gut wie nie etwas in der News-Times darüber erschien, aber ab und zu wurde doch ein Frost, ein Allen oder Willis erwähnt, Mitglieder aus Waltons Familie, die einem Komitee angehörten, betrunken am Steuer erwischt wurden, einen Pelikan retteten oder sonst etwas in dieser Art. Manchmal erschien auch etwas über das Crab Shack, den Campingplatz, die Methodistenkirche veranstalte einen Basar mit Kuchenverkauf oder eine Autowasch-Aktion für einen guten Zweck. May entdeckte gern Leute aus der Nachbarschaft in der Zeitung, selbst wenn es keine guten Nachrichten waren. Es gab ihr das Gefühl, als wären sie alle hier unten nicht unsichtbar, sondern hätten eine Bedeutung für den Rest der Welt außerhalb von Salter Path.
    Und wie ein berühmter Mensch bereits gesagt hatte - jeder sollte fünfzehn Minuten lang berühmt sein können. Bislang hatte May ihren Namen noch nie gedruckt gesehen, wenn man
von ihrer Geburts-, ihrer Heiratsurkunde und den Nachrufen auf ihre Mutter und ihren Vater einmal absah. Sie hätte in der Zeitung erwähnt werden können,

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