In dein Herz geschrieben
die Tabletten jedoch die Toilette hinuntergespült und sich gesagt, es würde bestimmt vorbeigehen, wenn Dennis und sie erst einmal verheiratet wären. Diese Nervosität würde verschwinden, und sie könnte sich dem Leben an der Seite des Mannes hingeben, den sie liebte und mit dem sie den Rest ihrer Tage verbringen wollte.
Zum Glück war der Hotelparkplatz fast leer, was es einfacher machte, eine Lücke für die Limousine zu finden. Sie parkte, schaltete den Motor ab, saß eine Weile da und sah zu den Dünen hinüber. Im Wagen herrschte drückende Hitze. Wieso saß sie hier herum und schwitzte, wo doch ein klimatisiertes Zimmer auf sie wartete? Weil sie sich zuerst überlegen musste, was sie tun wollte. A. J. würde bald kommen, und sie würde mit ihm reden, Fragen beantworten müssen.
Nein. Nein, das konnte sie nicht. Sie würde es nicht tun. Entweder wäre er mitfühlend, dass ihr die Tränen kämen, oder er würde Scherze machen, so dass sie wütend wurde, oder er würde etwas über Dennis sagen und ihr damit ein schlechtes Gewissen machen. Jedes einzelne Nervenende in ihrem Körper fühlte sich an, als liege es blank, und ein einziges verkehrtes Wort würde schon genügen, um einen Tobsuchtsanfall auszulösen. Nein, am besten für sie und für A. J. wäre es, wenn sie kein Wort wechselten. Sie würde ihm eine Nachricht an der Windschutzscheibe hinterlassen und die Schlüssel an der Rezeption hinterlegen. Und wo sie schon dabei war, würde sie auch Dennis einen Brief schreiben. Sie würde unter keinen Umständen anrufen und mit ihm selbst reden. Allein der Klang seiner Stimme würde sie aus der Fassung bringen.
Sie stand in der Tür ihres Hotelzimmers und dachte an die Nacht im letzten Jahr, als sie ganz allein hergefahren und im Holiday Inn in Atlantic Beach abgestiegen war. Dies war der Beginn ihres neuen Lebens gewesen. In der Woche danach hatte Dennis sie zum ersten Mal angerufen. Er war so charmant, meinte, er wisse, dass es wahrscheinlich noch zu kurz nach dem Tod ihrer Mutter sei, aber wenn sie so weit sei, würde er sie gern zum Essen einladen. Nachdem sie ihren ersten Schock überwunden hatte, rief sie ihn zurück, ohne vorher mit Ruth Ann darüber zu reden. Das Leben geht weiter, sagte sie sich, und ihre Mutter wäre die Erste, die dieser Meinung sei. Danach fühlte es sich an, als wäre sie in ein Karussell gestiegen, das sich anfangs nur sehr langsam drehte, während sie bei herrlicher Musik die schönste Zeit ihres Lebens genoss, ausgeführt wurde, Rendezvous hatte und wie ein echte Dame behandelt wurde. Aber dann verlobten sie sich, und das Karussell begann sich schneller und schneller zu drehen, so dass sie hinausgeschleudert zu werden drohte.
Im Geiste hörte sie Ruth Anns Stimme, die erklärte, sie
habe es ja gleich gewusst. Sie war von Anfang an nicht begeistert von ihrer Hochzeit mit Dennis gewesen, nicht zuletzt, weil seine Mutter griechische Vorfahren hatte - Ausländer, so nannte Ruth Ann sie, auch wenn sie alle auf amerikanischem Boden geboren waren -, in allererster Linie jedoch, weil er Bestattungsunternehmer war. »Dieser Mann hat unsere Mutter und unseren Vater nackt auf einem Seziertisch liegen gehabt. Er hat ihnen jeden Tropfen Blut abgezapft. Kannst du mit so etwas leben?« Cassandra hatte nur gelacht. »Gütiger Himmel, Ruth Ann, er ist schließlich kein Vampir«, hatte sie erwidert. Und obwohl Ruth Anns Bedenken allesamt verkehrt waren, konnte Cassandra nicht anders, als sich zu fragen, ob sie nicht doch hätte auf sie hören sollen.
»Du bist nicht mehr taufrisch, Schwesterherz. Du solltest lieber aufhören, so wählerisch zu sein«, hatte Ruth Ann immer gesagt, bevor sie sich mit Dennis verlobt hatte. Aber offensichtlich war sie nicht wählerisch genug gewesen, als sie sich für Dennis entschieden hatte. Es war unmöglich, Ruth Ann zufriedenzustellen. Und Cassandra sollte wählerisch sein? Müsste sie nicht mindestens zwei Männer zur Auswahl haben, bevor davon gesprochen werden konnte? Stattdessen hatte es genau einen gegeben, der zur Verfügung stand - Dennis. Sie musste verrückt sein. Wie viele Chancen bekäme eine Frau in ihrem Alter noch? Die Altersheime waren voll von alten Witwen, die sich um die wenigen verbliebenen Junggesellen rangelten, die noch aufrecht sitzen und ohne Hilfe essen konnten. Vielleicht bliebe ja ein netter alter Mann, der im Koma lag, für sie übrig.
Sie konnte nicht sagen, wovor sie sich mehr fürchtete - vor der Aussicht, sich anzuhören, was
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