In dein Herz geschrieben
gelassen und dann auch noch mit einem Brief abserviert wird, steht ihm ein kleiner Durchhänger durchaus zu. Er verdient es, sich anständig volllaufen zu lassen, und vielleicht auch ein paar Sachen kaputtzuschlagen. Also
lass dich nicht aufhalten. Aber vergiss eines nicht - morgen früh beim Aufwachen wirst du einen Kater haben, der sich gewaschen hat, und dann wirst du dich entscheiden müssen, was du tun willst.«
»Was meinst du damit?« Dennis blickte A. J. mit zusammengekniffenen Augen an und blinzelte, um ihn richtig zu erkennen.
»Ich rede davon, was du wegen Cassandra unternehmen willst.«
Dennis rieb sich die Augen und ließ die Hände in den Schoß sinken. »Was kann ich schon tun? Ich weiß ja noch nicht mal, wo sie ist.«
A. J. lachte und nahm noch einen Schluck. »Du verstehst nicht allzu viel von Frauen, was? Hör zu, als ich mit ihr geredet habe, wollte sie pausenlos wissen: Wie geht es Dennis? Hat er etwas über mich gesagt? Ist er wütend? Was bedeutet das deiner Meinung nach wohl?«
Dennis schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, verdammt.«
Seufzend beugte A. J. sich nach vorn. »Es bedeutet, dass sie wieder zurückkommen will, Holzkopf.«
»Das ergibt doch keinerlei Sinn.«
»Gütiger Himmel«, stöhnte A. J. »Also gut. Ich will dir etwas erzählen. Als Ruth Ann mich vor die Tür gesetzt und die Scheidung eingereicht hat, meinte sie, sie wolle nie wieder etwas mit mir zu tun haben. Was habe ich deiner Meinung nach da getan?«
»Eine Wohnung gesucht?«
»Nein, Dummkopf. Ich habe gemerkt, wie sehr ich mir gewünscht habe, sie zurückzubekommen. Und wenn man etwas will, was tut man dann? Hm? Na, was?«
Dennis riss die Augen auf und richtete sich auf. »Man holt es sich?«
»Bingo.« A. J. nickte. »Wenn du etwas willst, musst du es dir eben holen. So einfach ist das.«
»Aber Moment mal«, wandte Dennis ein. »Du und Ruth Ann, ihr seid doch immer noch geschieden.«
A. J. grinste. »Von Heirat habe ich kein Wort gesagt. Ich habe nur davon gesprochen, dass ich etwas haben wollte. Ich habe es mir geholt, und jetzt habe ich es bekommen.«
17
Es musste ein Traum sein, doch Cassandra brachte es nicht fertig aufzuwachen. Sie stand doch nie im Leben splitterfasernackt auf dem Bürgersteig vor einem Brautmodengeschäft! Bitte, lieber Gott, betete sie, lass es ein Traum sein. Leute und Autos kamen vorbei, doch niemand schien sie zu bemerken. Sie war in diesem Brautmodengeschäft gewesen, hatte Kleider anprobiert, von denen jedoch kein einziges gepasst hatte. Sie hatte sich durch die Ständer gearbeitet, durch die endlosen Reihen spitzenbesetzter weißer Kleider. Das letzte war zwar halbwegs in Frage gekommen, aber trotzdem viel zu eng gewesen. Zu viel Fleisch auf den Rippen, hatte ihr Vater immer gesagt. Dann stand sie plötzlich vor dem Laden auf dem Bürgersteig. Nackt. In aller Öffentlichkeit. Es war noch schlimmer als in den Träumen, in denen sie nackt an ihrem Pult in der Schule saß. Da hatte sie wenigstens hinter dem Tisch in Deckung gehen können. Sie sah sich nach etwas um, wo sie sich verstecken könnte, und entdeckte eine Gasse zwischen dem Brautmodengeschäft und dem Schuhladen. Doch beim Näherkommen musste sie feststellen, dass es in Wahrheit keine Gasse war, sondern nur eine Nische in der Hauswand, die viel zu schmal für sie war. Sie bot zwar einen gewissen Schutz, aber ihr war klar, dass sie nicht ewig dort stehen bleiben konnte, und sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie nach Hause kommen sollte, ohne dass sie alle sahen. Jemand klopfte ans Fenster des Brautgeschäfts, doch sie konnte nicht erkennen, wer es war. Wieder klopfte es.
Cassandra schlug die Augen auf, doch es klopfte noch immer. Sie setzte sich im Bett auf und wusste einen Moment lang
nicht, wo sie war. Kein Lichtstrahl drang durch den Spalt in den Vorhängen, also musste es draußen noch dunkel sein. Das Hotel - richtig, sie war in einem Hotel. Und jemand klopfte an ihre Tür. Sie blinzelte und warf einen Blick auf die rote Digitalanzeige des Weckers. Sechs Uhr? Gütiger Himmel. Sie trat ans Fenster und spähte nach draußen. Onkel Walton. Obwohl er seit fünf Jahren im Ruhestand war, trug er dieselben Kleider, mit denen er früher zur Arbeit gegangen war - dunkelblaue Hosen, ein langärmliges weißes Hemd mit Button-Down-Kragen und eine Mütze mit dem Emblem der Morehead City Port Authority, der städtischen Hafenbehörde. Auch wenn sie schwören könnte, dass es niemand auf der Welt gab, mit dem sie
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