In dein Herz geschrieben
Teil kamen, von wo aus sich ein Blick auf den Strand bot, blieben sie wieder stehen und setzten sich auf eine Bank. Der Geruch nach Fisch war reichlich penetrant, und Cassandra bemerkte, dass sie sich nicht weit von einem der Tische befanden, an denen die Fische ausgenommen wurden. Das Paar mit dem Metalldetektor war noch immer mit der Suche beschäftigt. Sie fragte sich, ob sie auch in der Hitze des Tages weitersuchen würden.
Sie sahen eine Weile den Flussuferläufern zu, die am Strand auf und ab flogen. »Onkel Walton, das mit gestern tut mir leid.«
»Da gibt es nichts, was dir leid tun müsste«, erwiderte er und tätschelte ihre Hand, dann lachte er und zeigte auf die Vögel. »Als du noch klein warst, bist du ihnen immer nachgelaufen, hin und her, auf deinen kurzen Beinchen.«
Cassandra lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte mich heute noch so schnell bewegen.«
»Scheint, als wäre es bei allen Kleinen dasselbe. Man geht mit ihnen an den Strand, und sie müssen sofort loslaufen. Vermutlich sind sie die ganze Zeit so eingesperrt, dass sie sofort loslaufen müssen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.«
Sie erinnerte sich an dieses Gefühl, an die Freiheit, die herrliche Freiheit, am Strand losgelassen zu werden, um sich in den Sand zu werfen, herumzuspringen und zu toben. Walton hatte recht. Alle, nicht nur die Kinder, waren heutzutage viel
zu sehr eingesperrt. Während all der Jahre Büro in der Fabrik hatte sie stets gewitzelt, dass sie eines Tages keine Beine mehr bräuchten, weil sie sämtliche Wege auf ihren Bürostühlen zurücklegen könnten.
»Ich will dir nur sagen«, fuhr Walton fort, »dass May dich nicht drängen wollte. Sie kann nun einmal nicht anders. Es ist ihre Art, alles für alle um sie herum in die Hand zu nehmen und in Ordnung zu bringen. Die meiste Zeit beschränkt sie sich auf ihre Schildkröten, aber es ist noch früh, und sie hat immer noch eine Menge Energie, die vom Winter übrig geblieben ist.«
Ihre Schildkröten. Cassandra hatte ganz vergessen, wie sie während der Legezeit am Strand auf und ab ging und alles kontrollierte. »Ich weiß. Und ich bin ihr auch dankbar dafür. Ich wollte nicht so gemein sein und einfach abhauen.«
»Ist schon gut. Du sollst nur wissen, dass du jederzeit zu uns kommen kannst, wenn du etwas Aufmunterung brauchst. Und mehr sage ich nicht dazu, versprochen.«
Er legte den Arm um sie, und Cassandra ließ den Kopf an seine Schulter sinken. Genau das brauchte sie in diesem Augenblick mehr als alles andere. Eine Schulter zum Anlehnen. Sie vermisste ihren Daddy, bedauerte, dass er nicht da gewesen war, um sie zum Altar zu führen, doch ihr Vater war in solchen Momenten nie sonderlich gut gewesen. Einmal hatte ihr Bruder Clark ihn gefragt, wieso er ihnen nie sage, dass er sie liebe. »Junge, weißt du denn nicht, dass es bedeutet, dass ich dich liebe, wenn ich dir einen Klaps auf den Kopf gebe?«, hatte er erwidert. Wie konnte Walton, der nie eigene Kinder gehabt hatte, so genau wissen, was er in Momenten wie diesen sagen oder tun musste? Vielleicht war es angeboren, eine Gabe, die man entweder besaß oder eben nicht.
Cassandra kam etwas außer Atem, als sie all die Stufen erklomm, doch es war der Mühe wert. Das Apartment sah ein wenig aus wie aus einer Einrichtungszeitschrift, niedlich
und behaglich, gleichzeitig aber luftig und hell. In einer Ecke stand ein großes Bett mit einer weißen Chenille-Tagesdecke. Das Bettgestell war aus dunklem Holz, vielleicht Walnuss, mit einem Hocker aus demselben Holz daneben. So hoch wie das Bett war, würde sie ihn wohl brauchen, und sie würde zusehen, dass sie in der Mitte lag, um nicht herauszufallen.
In der anderen Ecke befand sich der Wohnbereich mit einem großen ovalen Teppich in verschiedenen Blau- und Grüntönen. Sie sah einen antik wirkenden Schaukelstuhl, einen breiten Lehnsessel mit dazugehörigem Hocker, einen Fernseher mit Zimmerantenne auf einem Schränkchen und einen Couchtisch. Im hinteren Teil des Raums befand sich die Küchenzeile mit einem Doppelspülbecken, einem schmalen Herd und Kühlschrank sowie einem kleinen viereckigen Holztisch mit zwei Stühlen, die genauso aussahen wie die in Mays Küche. Auf der anderen Seite befand sich die Tür zu einem winzigen Badezimmer, das gerade ausreichend Platz für eine Wanne, ein Waschbecken und eine Toilette bot.
Das Schönste jedoch waren die Fenster, große Doppelfenster an jeder Wand. Da sich das Apartment im ersten
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