In deinen Armen
ein, zwei Darlehen ausgeholfen.«
Donaldina schnaubte in ihren Becher. »Ich hätt gute Lust, dem MacLean zu sagen, wo das Geld hergekommen ist.«
»Unterstehe dich, Donaldina«, sagte Lady Bess mit Nachdruck. »Nun seht euch das an, Catriona ist heruntergekommen.«
Donaldina drehte sich um und sah die Menge einer Lady Platz machen, die älter war als Bess und nach der neuesten Mode aufs Feinste gekleidet. »Ob die wohl wieder Streit kriegen«, fragte Donaldina interessiert.
»Kiernan bringt schlechte Nachrichten, vermutlich also schon.« Lady Bess klärte Enid auf. »Die Dame mit dem grauen Haar ist Lady Catriona MacLean, Klernans Tante und die Schwägerin meines Gatten.«
Enid gaffte unverhohlen. Das also war Stephens Mutter süßes Gesicht, runde Wangen mit Grübchen und eine Knopfnase. Doch eine beständig finstere Miene legte ihre Stirn in Falten.
»Sie hat viel durchgemacht im Leben. Ihr Ehemann ist vor der Geburt ihres Sohnes gestorben, und dieser Sohn ist vor über einem Jahr verschwunden. Als er nicht einmal mehr nach Hause kam, um Geld zu borgen, haben wir alle gewusst, dass Stephen sich in Schwierigkeiten gebracht hat.«
»Amen.« Donaldina versank fast in ihrem Drink.
Lady Catriona näherte sich MacLean so scheu, als fürchte sie, abgewiesen zu werden. Ihr Zögern verblüffte Enid; alle respektierten MacLean, aber niemand schien ihn zu fürchten.
Lady Bess betrachtete ihre Schwägerin freudlos. »Kiernan, der an überentwickeltem Pflichtgefühl leidet, was die Familie angeht, hat sich jedenfalls aufgemacht, nach Stephen zu suchen.«
»Ich frag mich, wo er das überentwickelte Pflichtgefühl wohl her hat, Mylady«, warf Donaldina ein.
»Ich sagte doch, wir wollen nicht mehr darüber reden, Donaldina.«
»Ja, Mylady.« Donaldina wandte sich an Enid. »Aber wir wissen es, nich wahr?«
Nein, Enid wusste es nicht, aber sie war neugierig. Neugierig, was Lady Bess betraf, und gespannt, wie Stephens Mutter auf die Nachricht vom Tode ihres Sohnes reagieren würde. Stephen hatte immer mit offener Geringschätzung von seiner Mutter gesprochen. Und was hielt Lady Catriona von ihrem Sohn?
»Kiernan war jetzt über zehn Monate lang verschwunden«, sagte Lady Bess. »Aus seinen Narben zu schließen, nehme ich an, dass er Stephen gefunden hat, oder?«
Enid nickte zustimmend.
»Aber zu spät, um ihm noch helfen zu können, würde ich sagen. Ich nehme an, die Verletzungen hat er sich bei dem Versuch zugezogen, den nichtsnutzigen Burschen zu retten, oder?«
Enid nickte erneut, den Blick auf das Drama geheftet, das sich inmitten der großen Halle abspielte.
Als MacLean seine Tante bemerkte, winkte er sie heran. Sie umarmte ihn mit etwas, das nach schüchterner Zuneigung aussah, klammerte wie Efeu an seinem Arm und redete auf ihn ein.
Er legte den Arm um ihre Schultern und geleitete sie zu einem Stuhl. Neben ihr in die Hocke gehend, schüttelte er den Kopf und hatte kaum ein paar Worte gesagt, als sie schon in Tränen ausbrach, ihn fortstieß und aus der Halle floh.
»Ah, nun denn.« Lady Bess zog an ihrer Zigarre, bis der Rauch ihren Kopf einhüllte. »Es ist nicht nett, wenn ich das sage, aber Stephens Tod ist kein großer Verlust. Catriona war viel zu nachsichtig mit dem jungen. Alles, was er getan hat, war perfekt. Und geklammert hat sie. Hat ihm nie Raum gelassen, sich zu einem Mann auszuwachsen. Kein Wunder, dass aus ihm ein Halunke und ein Feigling geworden ist.«
Das war ja sehr interessant. Aus Stephens Kommentaren zu schließen, seine Mutter betreffend, hatte Enid sich das schon gedacht.
»Wenn mein Sohn wegen Stephen ums Leben gekommen wäre«, fuhr Lady Bess fort, »dann wäre ich ihm bis in die Hölle nachgejagt, um ihm in den Arsch zu treten.«
Emd unterdrückte ein unangemessenes Kichern. »Man musste ihm einfach … in den … hin … Arsch … treten.«
Lady Bess straffte die Schultern.
Donaldina setzte sich auf.
Die beiden sahen einander an.
In einem herzlichen Tonfall, der Enid aber nicht täuschen konnte, sagte Lady Bess: »Wissen Sie, meine Liebe, ich bin eine alte Frau, deren Gehör nicht mehr so gut funktioniert, und ich erinnere mich nicht, Ihren Namen gehört zu haben.«
MacLean hatte ihren Namen nicht genannt, wie Lady Bess sehr genau wusste. Aber Emd konnte den schrecklichen Augenblick nicht länger hinauszögern, sondern musste sich couragiert stellen. Also sagte sie mit klarer Stimme, die die halbe Tafel hinabtönte: »Ich bin Emd MacLean. Ich bin Stephens Witwe.«
Bis
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