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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Schneidersitz ließ er sich neben mir nieder. Ich bot ihm Kaffee an und wie erwartet schüttelte er den Kopf.
    »Deine, meine ich. Und die, an der ich arbeite. Ich hab viel drüber nachgedacht, wie du es schaffst, dich bewusst zu verwandeln.«
    Sam zog eine Grimasse. »Ich verwandle mich nicht bewusst.«
    »Nicht oft, Ringo«, gab Cole zu. »Aber doch, tust du.«
    Ich spürte ein leises, hoffnungsvolles Kribbeln. Wenn irgendwer herauskriegte, was genau hinter den Wölfen aus dem Boundary Wood steckte, dann Cole, da war ich mir sicher. Schließlich hatte er mich schon einmal gerettet, oder?
    »Zum Beispiel damals, als du mich vor den Wölfen gerettet hast«, sagte ich. »Und was war in der Klinik, als wir dir die Injektion verabreicht haben?« Dieser Abend in der Klinik von Isabels Mom, als ich den Wolf Sam dazu gedrängt hatte, zum Menschen zu werden, schien so lange her. Wieder legte sich dieser Hauch von Traurigkeit über mich. »Hast du sonst noch was rausgefunden?«
    Sam setzte eine trotzige Miene auf, während Cole anfing, über Adrenalin und St.-Clair-Toxin im Körper zu reden und darüber, wie er Sams ungewöhnliche Verwandlungen als Basis für seine Heilmethode nutzen wollte.
    »Aber wenn es am Adrenalin liegt, müsste man sich dann nicht auch verwandeln, wenn nur mal irgendwer ›Buh!‹ macht?«, fragte ich.
    Cole zuckte mit den Schultern. »Ich hab mir reines Adrenalin injiziert und es hat funktioniert, so gerade eben.« Sam sah mich stirnrunzelnd an und ich fragte mich, ob er dasselbe dachte wie ich – dass »so gerade eben« sich ziemlich gefährlich anhörte.
    Cole fuhr fort: »Es bringt mein Gehirn aber einfach nicht dazu, auf die richtige Weise zu reagieren; es löst die Verwandlung nicht so aus wie Kälte oder angestautes St.-Clair-Toxin. Ziemlich schwierig, das nachzubilden, wenn man keine Ahnung hat, wie genau es eigentlich funktioniert. Das ist, als müsste man ein Bild von einem Elefanten zeichnen und dürfte dabei nur nach den Geräuschen gehen, die er im Käfig nebenan macht.«
    »Ich find’s schon beeindruckend, wie du drauf gekommen bist, dass es überhaupt ein Elefant ist«, sagte Sam. »Beck und die anderen haben ja offenbar nicht mal die Tierart erkannt.« Er stand auf und streckte mir die Hand hin. »Kommt, wir machen Frühstück.«
    Aber Cole war noch nicht fertig. »Beck wollte es einfach nicht sehen«, sagte er abfällig. »Er wollte seine Zeit als Wolf nicht aufgeben. Wisst ihr was? Wenn mein Vater was mit dem ganzen Kram zu tun hätte, würde er ’ne Computertomografie machen und ein MRT, mit ungefähr vierzehnhundert Elektroden jonglieren, vielleicht noch ein paar Ampullen hochgiftiger Medikamente und ein, zwei Autobatterien dazu, und drei oder vier tote Werwölfe später hätte er sein Heilmittel. Verdammt, der Mann ist echt super in seinem Job.«
    Sam ließ die Hand sinken. »Ich find’s nicht gut, wenn du so über Beck redest.«
    »Wie denn?«
    »Als wäre er –« Sam verstummte. Stirnrunzelnd sah er mich an, als wäre das Ende des Satzes irgendwo in meinem Gesicht verborgen. Ich wusste, was er hatte sagen wollen. So wie du. Auf Coles Lippen erschien das winzigste aller steinharten Lächeln.
    »Wie wär’s dann damit?«, fragte Cole. Er gestikulierte in Richtung von Becks altem Sessel, was mich vermuten ließ, dass auch er einmal in diesem Raum eine Unterhaltung mit ihm gehabt hatte. Es war ein eigenartiger Gedanke: dass Cole eine Vergangenheit mit Beck hatte, von der wir nichts wussten. »Wie wär’s, wenn du mir sagst, wer Beck deiner Meinung nach war, und dann sage ich dir, wer er meiner Meinung nach war. Und du, Grace, kannst uns dann sagen, wessen Version mehr nach dem echten Beck klingt.«
    »Ich glaube nicht –«, fing ich an.
    »Ich hab ihn zwölf Jahre lang gekannt«, unterbrach mich Sam. »Du gerade mal zwölf Sekunden. Meine Version gewinnt.«
    »Meinst du?«, fragte Cole. »Hat er dir erzählt, wie er als Anwalt so gewesen ist? Hat er dir von seiner Zeit in Wyoming erzählt? Oder von seiner Frau? Und wo er Ulrik gefunden hat? Und was er sich gerade selbst antun wollte, als Paul ihn fand?«
    »Er hat mir erzählt, wie er zum Wolf geworden ist«, entgegnete Sam.
    »Mir auch«, schaltete ich mich ein. Ich hatte das Gefühl, ich sollte Sam den Rücken stärken. »Er hat gesagt, er ist in Kanada gebissen worden und hat Paul dann in Minnesota wiedergetroffen.«
    »Aber nicht, dass er sich in Kanada umbringen wollte und Paul ihn gebissen hat, um ihn davon

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