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In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)

In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)

Titel: In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Fox
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überflog das kopierte Blatt und konzentrierte sich sofort auf die unterringelten Zeilen.
    »Der Präsident der Internationalen Vereinigung Rechtsmedizinischer Ärzte geht also davon aus, durch das Fotografieren sämtlicher Verletzungen könne die Anzahl der Verurteilungen gesteigert werden. Und das ist es doch, was wir alle wollen.«
    Lyndsay Gatlow, die ihre Erregung kaum zügeln konnte, fuhr ihm über den Mund.
    »Wir sollten immer der Reihe nach vorgehen und uns an die Tagesordnung halten, damit alle Aussagen im Protokoll festgehalten werden können, meinen Sie nicht auch?«
    Zum ersten Mal waren die Versammelten absolut einer Meinung, und so wurde der unvermeidliche Kampf, für den Anya sich innerlich wappnete, noch einmal hinausgeschoben. Ihr Name war wieder auf dem Tapet.
    Die Hitze stieg Anya ins Genick, und sie konnte es einfach nicht fassen, dass Gatlow sich ihren privaten Schriftwechsel mit einem Kollegen verschafft hatte und dann auch noch die Unverfrorenheit besaß, ihn in aller Öffentlichkeit zu präsentieren. Wie nicht anders zu erwarten, hatte sie seine Einlassungen völlig aus dem Kontext gerissen. Auf den fehlenden Seiten des Briefs war ausgeführt, weshalb die versuchsweise Einführung der fotografischen Beweissicherung in Großbritannien gescheitert war.
    Anya hielt ihre Wut im Zaum, solange die Tagesordnung um das Übliche kreiste – Dienstpläne, Entnahme von Proben, Beweisketten und die, angesichts der Zahl der Übergriffe, viel zu knappen Lagerungsmöglichkeiten auf den Stationen. Notgedrungen wurde daher immer wieder Beweismaterial entsorgt, das noch entscheidende Erkenntnisse hätte liefern können. Das brachte zwar Polizei und Anwälte gleichermaßen in Rage, führte aber nicht zu einer Aufstockung der Budgets.
    »Und nun«, verkündete Lyndsay, »möchte ich ein Dokument von einem der prominentesten Befürworter einer Vorgehensweise einbringen, der auch wir uns nicht verschließen können, wenn wir in die nächste Ära der Beweissicherung vorstoßen möchten – der Kolposkopfotografie.«
    Mary Singer meldete sich zu Wort: »Entschuldigung, aber aus welchem Anlass legen Sie uns das vor?«
    »Das würde ich auch gerne wissen«, setzte Anya an, »denn hier handelt es sich um einen privaten Brief, der nie zur Veröffentlichung bestimmt war.«
    Anya hatte sich brieflich mit Kollegen in Großbritannien über die Vor- und Nachteile der Verwendung einer Art von Mikroskop auf einem beweglichen Schlauch zum Untersuchen und Fotografieren der Scheideninnenwände ausgetauscht.
    Lyndsay Gatlow lächelte – verschlagen. »Nun, ich habe persönlich mit dem Verfasser telefoniert, und er hat mir die Erlaubnis erteilt, seine Einlassungen hier als Diskussionsgrundlage zu verwenden.«
    Anya konnte sich gut vorstellen, wie das Gespräch abgelaufen war. Zweifellos hatte Gatlow mit der fortdauernden Debatte über die Kolposkopfotografie hierzulande argumentiert, dabei aber wohl vergessen, darauf hinzuweisen, dass sie die alleinige Anstifterin dieser Debatte war.
    »Wir haben das alles schon besprochen.« Anya grub sich die Fingernägel in die Handflächen. »Die Tests in Großbritannien sind gescheitert, wie Sie dem Rest des Briefs entnehmen können, der, wie es scheint, offenbar rein zufällig nicht mitkopiert worden ist.«
    Die übrigen Mitglieder des Komitees rutschten auf ihren Stühlen hin und her.
    Anya fuhr fort: »Als Ärztinnen sind wir die Anwälte unserer Patienten oder, in diesem Fall, der Opfer. Wir unternehmen alles in unserer Macht Stehende, um forensische Beweise zu sichern, dies aber ausschließlich nach Aufklärung und mit Zustimmung des Opfers. Wir haben uns dafür eingesetzt, diesen Prozess weniger steril und invasiv zu gestalten, und genau deshalb verzichten wir auf die Kolposkopie. Und jetzt verlangen Sie von uns, dass wir die Geschlechtsteile der Opfer filmen und fotografieren, damit diese Fotos am Ende dann Horden von Menschen im Gerichtssaal begaffen können.«
    »Das sind wir ihnen schuldig, um sooft als möglich eine Verurteilung zu erreichen«, schnitt Lyndsay ihr das Wort ab.
    »Das ist nicht unsere Aufgabe.« Anya stemmte sich mit beiden Handflächen auf den Tisch. »Unsere Aufgabe ist es, sie zu stärken, aber nicht, sie wie auf dem Jahrmarkt zur Schau zu stellen, damit irgendwelche Leute ihre Geschlechtsteile anstarren und darüber debattieren können, ob da eine Vergewaltigung stattgefunden hat oder nicht.«
    Das Lächeln kehrte zurück. »Ich sage es nicht gerne, aber ich

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