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In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)

In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)

Titel: In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Fox
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denke, Dr. Crichton ist in dieser Sache etwas überempfindlich. Genau wie bei medizinischen Unterlagen, so kann auch hier der Zugang eingeschränkt werden.«
    Anyas Nackentemperatur stieg. Niemand konnte eine Frau herablassender behandeln als eine Frau. »Bilden Sie sich nicht ein, dass wir kontrollieren könnten, wer die Bilder zu sehen bekommt. Wenn sie vor Gericht zugelassen werden, dann werden sie im Beisein des Opfers von Polizisten, Richtern, Anwälten, Geschworenen und sogar dem Täter selbst betrachtet.«
    »Ich kann darin kein Problem erkennen«, sagte der Kriminalpolizist. »Sofern es sich um eine ungewöhnlich brutale Vergewaltigung handelt, kann die Verteidigung den Antrag stellen, die fotografischen Beweise nicht zuzulassen, weil sie die Geschworenen befangen machen würden.«
    »Dieses Argument allein genügt doch, um zu zeigen, dass jedes Foto, auf dem keine Verletzung zu erkennen ist, automatisch als Beleg dafür herangezogen würde, dass überhaupt keine Vergewaltigung stattgefunden hat. Wie wir alle hier sehr wohl wissen, führt die Mehrzahl der sexuellen Gewaltakte nicht zu einer äußeren Verletzung der Geschlechtsteile. In all diesen Fällen werden Fotos, die dem Anschein nach den Normalzustand zeigen, der Sache der Anklage schaden. Wir würden die Opfer schlechter stellen.«
    »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe«, entschuldigte sich Jennifer Beck, die eben den Raum betrat, einen freien Stuhl aus dem Eck an den Tisch holte und sich setzte. »Wer stellt Opfer schlechter?«
    Lyndsay Gatlow berichtete: »Wir haben uns eben über die Vorteile der fotografischen Dokumentation von Genitalverletzungen unterhalten.«
    »Gut, genau aus diesem Grund bin ich heute hier.« Sie schob sich die Ärmel der hellblauen Strickjacke zurück und ließ den Blick über den Tisch schweifen. »Inzwischen dürfte Ihnen ja allen bewusst sein, dass die Staatsanwaltschaften den Kampf gegen sexuelle Übergriffe verlieren. Da nur etwa zwanzig Prozent der Übergriffe überhaupt zur Anzeige gelangen, ist das, was wir sehen, nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs. Wir beobachten in den vergangenen Jahren einen Rückgang bei allen sonstigen Straftaten und müssen daher konstatieren, dass es allein bei den Sexualdelikten einen Anstieg zu vermelden gilt. Trotz der Beweise, die von den Ärztinnen sichergestellt werden, und der Aussagen der Opfer zieht die Mehrzahl der Vergehen keine formellen Ermittlungen nach sich. Und die Mehrzahl der Gerichtsverfahren endet nicht mit einer Verurteilung.«
    Sie sah jedem der Anwesenden einzeln in die Augen, bevor sie ihren Vortrag fortsetzte. »Unsere Schätzungen gehen davon aus, dass hundertneunundneunzig von zweihundert Straftaten nicht in einer Verurteilung münden. Es gibt also verteufelt viele verängstigte und traumatisierte Opfer, die wir allesamt enttäuscht haben.«
    Lyndsay runzelte die Stirn. »Solange praktisch keine Gefahr besteht, geschnappt zu werden, solange existiert auch keine Abschreckung. Wenn wir Polizei und Staatsanwaltschaft nicht unterstützen, geben wir den Tätern damit das Signal, dass Vergewaltigung kein Verbrechen ist.«
    Mary Singer hörte damit auf, ihre Fingernägel zu betrachten. »Wir könnten einen Anfang machen, indem wir aufhören, die Medien mit Ausdrücken wie ›Date-Rape‹ zu füttern. Eine Vergewaltigung bleibt eine Vergewaltigung, ganz gleich, unter welchen sozialen Bedingungen sie geschieht. Und was soll eigentlich ›häusliche Gewalt‹ bedeuten? Dass eine Gewalttat in den eigenen vier Wänden weniger schlimm ist, als wenn sie auf der Straße passiert? Gewalt ist Gewalt. Eine Wirtshausschlägerei nennen wir ja auch nicht ›soziale Gewalt‹. Wieso also Gewalt gegen Frauen kleinreden? Wir müssen eine weit reichende kulturelle Geisteshaltung verändern, bevor es eine Veränderung in der Anzahl der Sexualdelikte geben wird.«
    Eine der Sozialarbeiterinnen fügte hinzu: »Denkt doch nur an diesen berühmten Schauspieler, der auf dieser Party ums Leben gekommen ist, weil er unbedingt im Suff streiten musste.«
    Anya konnte sich noch gut an den öffentlichen Aufschrei wegen des tragischen Verlusts dieses begnadeten Darstellers erinnern. Er war zwar dafür berüchtigt gewesen, nach ein paar Drinks aggressiv zu werden, aber trotzdem hatte niemand dem »Promi«, der mit einem Vielfachen des gesetzlich erlaubten Blutalkohols einen Streit angefangen hatte, eine Mitschuld an seinem Tod gegeben. Der Kontrahent dagegen wurde wegen Totschlags

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