In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
einen auch in Ruhe. Nicht hinzusehen hatte ihm im Gefängnis mindestens ein Mal das Leben gerettet.
Miss Bonython lächelte. »Wie wär’s mit einer kurzen Führung, dann zeige ich dir alles. Wir mussten uns sehr kurzfristig nach einer anderen Unterkunft umsehen, nachdem die Presse rausgekriegt hat, wo du wohnen würdest. Immerhin sind Klo und Bad hier getrennt. Und schön nah an deinem Zimmer.«
Vom Flur aus sah er eine knallblaue Klobrille und musste kichern. Das Handtuch neben dem angegilbten Waschbecken hatte Spitzen.
»Wo ist das Papierhandtuch?«
»Wie, Papierhandtuch?«, rief seine Mutter der Prozession nach.
»Zum Händeabwischen. Ich nehm immer Papierhandtücher.«
»Hier benutzen wir aber richtige Handtücher, Geoffrey.«
»Ich nehm aber Papier.« Er rieb den Daumen über die Handfläche. »Ich nehm immer Papier.«
Miss Bonython legte ihm die Hand auf den Rücken. »Kein Problem, wir besorgen dir welche.«
Im nächsten Zimmer lag ein bunter Quilt auf einem altmodischen Holzbett. Zwischen zwei Regalen am Kopfende war eine weiße Glasscheibe mit einem Schalter eingelassen.
Geoff streckte die Hand aus und knipste das Licht an und wieder aus, an und wieder aus. Ein brauner Fleck auf dem Teppich wurde durch einen großen Holzschrank zum Teil verdeckt. Das Zimmer war riesig, aber das Allertollste war ganz eindeutig das Fenster. Man konnte den ausgeblichenen Nachbarszaun sehen. Und was noch besser war: Es war offen, ohne Gitter und ließ frische Luft und den Lärm spielender Kinder herein. Er hoffte, nebenan gab es Kinder.
»Wie findest du’s?« Wieder schlug Nick ihm auf den Rücken. »Wenn du deine Sachen erst mal reingeschafft hast, wirst du dich gleich viel heimischer fühlen.«
Geoffrey schluckte. »Es ist schön.«
Die Führung endete mit Nicks Zimmer. Auf der anderen Seite des Flurs lag ein rosa Zimmer. Er war nicht so dumm, da hineinzugehen. Lillian Willard hätte es nicht zugelassen. Außerdem waren sämtliche Vorhänge an der Straßenseite des Hauses zugezogen, und es müffelte. Es war dieser Alteleutegeruch, der ihn an seine Oma erinnerte – bevor sie krank wurde und starb.
»Kippe?« Nick zückte ein frisches Päckchen und klopfte zwei Zigaretten heraus. Er zündete sich mit einem Streichholz die eine an, dann reichte er die zweite seinem Cousin.
Geoffrey ließ sich das Hölzchen geben, inhalierte tief und blies etliche Rauchkringel in die Luft.
Das Wasser kochte, und June Bonython ließ die beiden allein, um beim Tee zu helfen.
»Und wo steckt Braunauge?«, wollte Geoff wissen.
»Gottchen«, meinte Nick, »der ist vor Jahren schon abgenippelt.«
»Das hat mir keiner gesagt.« Geoff nahm einen tiefen Zug. »Er war wie dein Schatten.«
»Irgendwie ist er das immer noch.« Nick lachte herzhaft. »Hab den hässlichen Köter für die Nachwelt ausstopfen lassen.«
»Schön«, war alles, was Geoff dazu einfiel, und er starrte wieder auf den Boden.
»He.« Nick klatschte in die Hände und schnippte sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich hab’ne Überraschung für dich, im Garten. Willst du sehen?«
»Klar.«
Durch die Waschküche und eine Fliegengittertür gelangten sie auf ein kleines Stück Rasen. An der Wäschestange war ein goldfarbener Labradorwelpe festgebunden, der an seiner Leine zerrte.
»Darf ich vorstellen: Caesar«, verkündete Nick. »Ganz allein für dich.«
Geoffrey drehte sich zu Miss Bonython um, die zwei Tassen Tee brachte. »Will er mich verscheißern?«
»Nein.« Sie lächelte. »Das ist dein Hündchen. Gespendet von einer wohltätigen Gesellschaft, die den Menschen dabei hilft, das Leben außerhalb des Gefängnisses zu meistern.«
Geoffrey ging in die Hocke und ließ sich das Gesicht abschlecken. Zum Dank für seine Mühe bekam Caesar einen groben Klaps und durfte sich im Staub wälzen.
Zwei von den Anzugträgern kamen durch das Gartentor auf Miss Bonython zu. Schnell zog Geoffrey sich zur Hintertür zurück.
Der mit den geweiteten Nasenflügeln sprach. »Es ist alles ruhig. Wir packen’s dann.«
Die freundliche Frau stellte die Tasse auf der Treppenstufe zur Hintertür ab und folgte ihm auf die Straße. »Bleibt denn niemand hier? Was, wenn die Presse die Familie hier aufspürt? Sie wissen doch selbst, wie die sind, und dann der ganze Rummel um die Entlassung.«
»Hören Sie, gute Frau, ich habe eine Tochter, die ist im selben Alter wie diejenige, die dieser Dreckskerl vergewaltigt und zerstückelt hat.«
»Detective«, hielt sie ihm entgegen, »er
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