In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
»Fäuste zum Beispiel, mit denen jemand die Beine bei einer Vergewaltigung auseinanderstemmt?«
»Exakt.«
Quentin ergänzte: »Es gab am ganzen Tatort keinen Hinweis auf Geschlechtsverkehr, was ich ausgesprochen interessant finde. Wenn diese Frau von einem Vergewaltiger ermordet wurde, dann muss es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Fantasie-Vergewaltiger handeln. Er muss sich einbilden, dass er ihr eigentlicher Partner sei. Wenn er Elizabeth Dorman weiterhin beobachtet hat, dann hat es ihn möglicherweise wahnsinnig gemacht, dass sie immer noch mit ihrem Freund zusammen war. Angesichts der verschiedenartigen Stichwunden kann ich allerdings nach wie vor nicht ausschließen, dass wir es mit zwei verschiedenen Tätern zu tun haben.«
»Wir haben den Freund auch noch nicht ausgeschlossen.« Hayden stand auf und streckte sich, die Hände auf dem Gürtel. »Zusammenfassend kann man also sagen, der Mörder, beziehungsweise das Mörderpaar, ist nicht gekommen, um Elizabeth zu vergewaltigen. Sie kannte ihn oder sie, und dann geschah irgendetwas, was dazu geführt hat, dass er oder sie ausflippten und Elizabeth totstachen. Wir suchen also nach einem oder zwei Männern, die vielleicht, vielleicht aber auch nicht, Frauen vergewaltigen, sie jedenfalls in einem Wutanfall abstechen und eventuell mit ihnen befreundet sind.« Er kratzte sich den Schnauzer. »Gut, dass wir das geklärt haben. Ich kann’s gar nicht erwarten, Sorrentis Gesicht zu sehen, wenn ich ihr die frohe Kunde überbringe.«
»Augenblick mal.« Anya zog eines der Fotos der Einstichwunden am linken Schlüsselbein zu sich her und starrte es an. »Gibst du mir bitte mal das andere Vergrö ßerungsglas?«
Hayden reichte es ihr. »Was gibt’s?«
Sie suchte weitere Aufnahmen derselben Körperpartie heraus, legte sie in einer Reihe aus und betrachtete jede einzelne ausgiebig.
»Da ist eine Reihe von schwachen Hämatomen am linken Schlüsselbein. Wenn man nicht danach sucht, könnte man sie glatt übersehen. Wenn man sie aber im Kontext betrachtet, fügen sie sich zu einem Messerabdruck.«
Hayden beugte sich vor. »Wovon sprichst du?«
»Ich spreche von dem Abdruck, den ein Messer hinterlässt, wenn man es gegen die Brust drückt. Du musst deine Fantasie ein bisschen anstrengen, aber ich bin überzeugt, das ist die Ursache dieser Hämatome.«
Zu dritt beugten sie sich über die Fotos, dicht gedrängt in der Enge des Zimmers.
Hayden kniff die Augen zusammen. »Dazu braucht man keine Fantasie. Sie sind dünn, aber für mich sieht das genauso aus wie der Bluterguss von Jodie Davis, den du uns gezeigt hast.«
»Und auch der von Melanie Havelock und Opfer Nummer eins«, pflichtete Anya bei.
Der Kriminalpolizist brauchte einen Moment, um die Tragweite zu erfassen.
»Dann war es also ein sexueller Übergriff, und zwar höchstwahrscheinlich von unserem Serienvergewaltiger. Nur, dass er diesmal zurückgekommen ist, um die Sache zu Ende zu bringen.«
24
Hayden stand noch vor den Fotos, als Quentin schon zu seinem nächsten Termin aufgebrochen war.
»Der Messerumriss ist eindeutig zu erkennen. Das ist doch nicht zu fassen, dass das im Leichenschauhaus übersehen worden ist.«
Zum Vergleich vermaß Anya die Länge. »Es ist nicht übersehen worden, die Hämatome wurden nur separat dokumentiert.«
»Wenn die Gewalt bei dem Kerl jetzt eskaliert, dann bleibt uns keine Zeit, bevor er das nächste Mal zuschlägt. Hast du sie inzwischen befragt?«
Das hätte Anya beinahe vergessen. »Heute Vormittag hat sie endlich auf meinen Anruf reagiert. Wenigstens hat sie sich keine neue Handynummer zugelegt. Das mit den anderen Opfern hat sie sehr mitgenommen, aber sie will die ganze Sache hinter sich lassen. Sie hat sich widerstrebend zu einem Gespräch heute Nachmittag bereit erklärt, aber das war’s auch schon.«
Hayden klang erleichtert. »Wie stehen die Chancen, dass ich dabei sein kann?«
»Null. Ich werde nicht gegen meine Schweigepflicht verstoßen.«
»Das verlange ich auch nicht von dir. Ruf sie nur an und schlag ihr vor, dass jemand von der Polizei dabei ist. Nenne sie bei einem falschen Namen. Wenn sie kein Protokoll unterschrieben hat, kann auch niemand sie darauf festnageln.«
Anya versuchte, sich ihren Frust nicht anmerken zu lassen. »Und wenn du sie unter Strafandrohung vorlädst?«
»Wie soll ich das machen, wenn ich weder Name noch Adresse habe? Verbinde mir unterwegs die Augen, wenn du magst.« Er stand auf und schaute drein wie ein
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