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In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
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schnaubte ich und ließ sie einfach stehen. „Auf so eine scheiße hab ich wirklich keine Lust!“
„Oh. Auf deine Scheiße hab ich auch keine Lust, und trotzdem renn ich mit dem Ding hier rum!“ Sie rannte mir nach, in einer Hand die Tüte Brötchen, die andere war noch immer eingegipst. Mit dem Gips wedelte sie nun vor meiner Nase herum. „Is ja nun echt nicht so, als sei ich besonders scharf drauf gewesen!“
„Den hast du dir allein gebrochen!“, murmelte ich.
Warum verpisste sie sich nicht einfach und ließ mich in Ruhe?
„Hättest du ihn nicht so festgehalten, wäre überhaupt nichts passiert!“, schrie sie mich an und schmiss ihre Brötchentüte einfach auf den Gehsteig.
„Hättest du nicht so herumgezappelt, wäre überhaupt nichts passiert!“, erwiderte ich fuchsteufelswild und pfefferte meine Tüte daneben. Diesmal blieb sie jedoch ganz.
„Immer sind die anderen Schuld, nicht wahr? Immer bist du die Gute! Du bist nicht aggressiv, Verry. Nein! Du bist auch nicht gewalttätig und überhaupt liebst du alles und jeden und würdest keiner Fliege was zu Leide tun. Schon klar!“
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte laut und falsch. „Nein Verry! Du bist das brave, kleine, unfehlbare Mädchen. Du bist ja so perfekt!“
Jetzt begann sie mich mit böse funkelnden Augen anzustarren und den Kopf zu schütteln.
„DU HAST DOCH KEINE AHNUNG!“, schrie ich so laut, dass mir meine eigene Stimme in den Ohren klingelte.
„Ach nein?“ Annie verschränkte die Arme vor der Brust und tippte provozierend mit der rechten Schuhspitze. In meinem Kopf schrien unzählige Stimmen durcheinander und ich war so kurz davor meiner ehemals besten Freundin den Schädel von den Schultern zu reißen. Sie stand nur da, ahnte von meinem inneren Kampf nichts und starrte mich feindselig an. Bevor ich erneut durchdrehte klaubte ich die Tüte vom Boden und machte mich auf den Heimweg.

Beim Frühstück konnte ich an nichts anderes mehr denken, als an diesen Streit und all die Dinge die sie mir an den Kopf geworfen hatte. Wenn sie wirklich all die Dinge über mich dachte, und ich hatte den deprimierenden Eindruck, dass sie das schon sehr viel länger tat, was dachten dann die anderen von mir? Was dachte Mum von mir? War ich in den Augen aller wirklich die kleine aggressive Mrs. Perfect? Ein Mädchen, das sich für etwas Besseres hielt? Aber so war ich doch gar nicht! Warum nur glaubte Annie das von mir? In all den Jahren unserer Freundschaft hatte ich sie vor großschnäuzigen Kerlen in Schutz genommen, verkörperte, wie sie mir selbst immer sagte, die Schwester, die sie nie gehabt hatte, weil ihre Mum an Gebärmutterkrebs erkrankte und unfruchtbar wurde. Früher waren wir zusammen shoppen gegangen, hatten Klingelstreiche gemacht oder den Jungen aus der Umkleidekabine die Klamotten geklaut. Aber am amüsantesten war es für uns immer gewesen, Gadget in den Wahnsinn zu treiben.
Was lachten wir uns damals krumm und schief, wenn er wieder einmal wegen nichts an die Decke ging und sich sein Trenchcoat dabei so aufbauschte, dass er aussah wie ein fetter Exhibitionist, der kurz davor stand zu zerplatzen wie ein Luftballon. Wir ließen keine Gelegenheit ungenutzt. Nicht auf dem Schulhof, noch auf dem Gang, in den Pausen, wenn die halbe Schule Zeuge seines Wutanfalls wurde und er dabei Spucke sprühte. Gadget …
„Verry? Liebes?“ Mum holte mich aus meinen sehnsüchtigen Gedanken. Blass sah sie aus und ihre Augen waren ganz blutunterlaufen. Sofort sprang ich von der Couch und rammte mir das Knie am Glastisch. Der Schnitt war wirklich nicht besonders tief und es war kaum Blut zu sehen. Trotzdem schlug Mum die Hände vor den Mund und verließ fluchtartig das Wohnzimmer. Sie übergab sich ins Spülbecken. Dass sie kein Blut sehen konnte, war etwas völlig neues. Immerhin hatte sie erst letzte Woche meine blutverschmierte Wange gereinigt. Ich humpelte ihr hinterher und reichte ihr ein Glas Wasser, das sie mit zitternden Händen entgegen nahm.
„Danke, Schatz“, krächzte sie und kippte sich den gesamten Inhalt in den Rachen.
„Du solltest dich hinlegen, Mum! Du siehst schrecklich aus!“
„Es geht mir gut“, wisperte sie und fuhr sich fahrig durch die Haare. „Ich bin nur ein bisschen …“
Schwanger, vielleicht? Ich verstand gar nicht, wieso sie die Sache mit dem Baby weiterhin verschwieg. Okay, sie konnte noch nicht sehr lange schwanger sein, denn man sah gar nichts, aber ich war doch ihre Tochter! Sollte sie mir nicht endlich

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