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In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
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würde diese alte Fabrik den unmenschlichen Kräften der Blutsauger standhalten, ehe sie einstürzte und uns womöglich unter sich begrub? Schatten wirbelten durch die Dunkelheit. Metall krachte aufeinander. Funken stoben auf. Kurz und flammendrot waren die wutverzerrten Gesichter der Kämpfenden zu sehen. Die Konturen derart entstellt, dass sie wie wilde Tiere wirkten, die darauf aus waren, den Gegner mit größtmöglicher Gewalt den Schädel vom Leib zu reißen. Sie bewegten sich so schnell, dass ihre Silhouetten mit der Finsternis verschwommen, ehe sie im Funkenregen wieder auftauchten. Das, was sich dort meinen Augen bot, war zugleich schockierend wie faszinierend. Wie ein Tanz zweier Geliebter, die sich dank der Urgewalt der Natur anzogen und wieder abstießen. Metall blitzte kurz und gleißend auf. Ein Keuchen erklang. Erneut dröhnte das Jaulen durch die Fabrik, rollte wie der Hall eines Donners in die Nacht hinaus und verklang zwischen den dichten Bäumen des Waldes. Stille. Ganz am Rande registrierte ich eine Taubheit, die sich in meiner rechten Hand ausbreitete und wie Wasser über das Gelenk sickerte, bis schließlich mein gesamter Unterarm gelähmt war. Dann vernahm ich ein leises Schmatzen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich begriff, dass Erik Haiss seine Fänge in meine Handkante gebohrt hatte und feuchtfröhlich das Blut aus meinen Adern schlürfte.
„OH MEIN GOTT!“, schrie ich, sprang auf, sackte aber sofort wieder zusammen. Ein höllischer Schmerz schoss durch mein Becken. Glühendheiße Wellen strömten von meinem Steißbein aus bis in die Zehen und Fingerspitzen, explodierten einer gleißenden Supernova gleich direkt hinter meinen Augen. Stöhnend krümmte ich mich am Boden und biss die Zähne zusammen. Die Intervalle der Schmerzattacke wurden immer kürzer und brandeten in einem so qualvollen Stechen, dass selbst das, was Malik mir wenigen Minuten zuvor angetan hatte, angesichts dessen verblasste, was ich in diesem Augenblick empfand. Unterdrückt schreiend zerkratzte ich mir die Oberschenkel, die Pobacken und strampelte mit den Beinen wild über den Boden. So musste es sich anfühlen, wenn man jemandem ein langes, grobgezacktes Brotmesser in den Po rammte und es rausriss, um es mit ganzer Macht erneut hineinzustoßen. Die Attacke war so schnell vorbei, dass ich für einen Augenblick lang davon überzeugt war, mir alles nur eingebildet zu haben. Vielleicht lag ich immer noch bei Mum im Bett und hatte nur einen grauenhaften Alptraum gehabt! Wie Espenlaub zitternd lag ich da, schweißgebadet und so erschöpft, dass mir immer wieder die Augen zufielen. Irgendwoher drang das schnelle Pochen eines Herzens direkt an meine Ohren. Ein warmer, weicher Kokon hüllte mich ein wie eine flauschige Decke. Träge blinzelnd hob ich den Kopf und fand mich in der aufmerksamen Betrachtung zweier hellblauer Augen wieder. „Es ist vorbei“, flüstert Haiss mit rauer Stimme, schloss die Augen und atmete so tief ein, dass sein Brustkorb gegen meinen drückte. Mir der plötzlichen Nähe bewusst verkrampfte ich mich.
„Lass mich los!“, rief ich schrill und stemmte meine schlaffen Arme gegen ihn. Er gab mich sofort frei und rutschte von mir weg. Weit genug, um mir zu vermitteln, dass er keine bösen Absichten hegte. Schnell wandte ich den Blick ab und verschränkte die Hände vor meinem entblößten Körperteil. „Hier! Ich hatte nichts anderes.“ Er sagte es leise und vorsichtig, als befürchte er, dass ich einfach explodieren oder schreiend davon laufen könnte. Haiss warf mir etwas zu, das sich wie weiche Seide an meine Finger schmiegte und die Hitze daraus verband, die immer noch in meinem Körper pulsierte. „Was ist das?“, flüsterte ich. Es war immer noch zu dunkel, um etwas Genaueres erkennen zu können.
„Ein Schal.“ Fragend hob ich den Blick und sah in seine Richtung. „Was soll ich denn mit einem Schal?“
„Er ist sehr breit und blickdicht!“
„Okay.“ Keine Ahnung, was er mir damit sagen wollte.
Haiss seufzte leise. „Wickel ihn dir um die Hüfte!" Das Blut schoss mir so schnell in den Kopf, dass mir schwindelig wurde. Nach Luft schnappend, bohrte ich eine Hand in den Sand und beugte mich zur Seite. Die Kampfgeräusche waren verstummt. Mit der Leere, die die Fabrik nun ausfüllte, kroch die Gewissheit in meinen Kopf, dass nicht nur Gadget Augenzeuge meiner Entwürdigung geworden war. Zu Tode beschämt schlug ich die freie Hand samt Schal vor mein Gesicht und unterdrückte das

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