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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Gehorsam. Ich versuchte zu hören, vernahm aber nur das donnernde Dröhnen des Schattens, der sich an der Innenseite meiner Haut rieb. Ich versuchte, Mr. Koenig zu spüren, der in meinen Händen erstickt würgte. Aber ich fühlte nur seinen Geist.
    Töte ihn!, befahl ich der Kreatur in mir, während ich gleichzeitig vor mir selbst zurückwich. Töte ihn jetzt!
    Doch die Entität gehorchte nicht. Sie hielt sich zurück und betrachtete den Avatar. Sie musterte ihn mit derselben kalten, prüfenden Neugier, mit der man auch eine besonders seltene Spezies von Ameisen betrachten würde. Ich fühlte seine Neugier, die unendlich fremdartig wirkte, so fremdartig … Und doch war ich es.
    Wir erinnern uns, flüsterte diese weiche, zischende Stimme, während Mr. Koenig kreischte. Er schlug wie wild gegen seinen Kopf und auf meine Hände, schüttelte sich so heftig, als schlüge sich jemand mit winzigen Äxten von innen nach außen durch ihn hindurch.
    Er litt Schmerzen, brutale, grauenvolle Schmerzen. Ich fragte mich, ob er zuvor wohl jemals Schmerz empfunden haben
mochte. Aber jetzt war dieser Schmerz in ihm. Und dennoch empfand ich keinerlei Freude, keine Befriedigung, sondern nur Entsetzen. Ich hatte bekommen, was ich wollte. Er wurde getötet.
    Langsam. Qualvoll.
    Und da war noch etwas. Erinnerungen, die Mr. Koenig entrissen wurden. Hinter meinen Augen zuckten Bilder auf. Stiche wie von Sternenlicht, die so blendeten, dass ich schwindelnd auf ein Knie sank. Ich konnte nur Sterne sehen, eine Decke von Sternen, Risiken, einsam und ohne Ende … Und dann waren da noch andere bei mir, die durch diese nebelhafte Nacht reisten wie Wölfe, in Rudeln, zusammengeballt auch wie Gedanken, die dann zu einem einzigen Gedanken wurden, zu einer Einheit, die nicht genügte, um das drängende, unerträgliche Wissen zu lindern, dass wir nicht fühlen, dass wir nichts sind, dass wir niemals enden, selbst wenn wir mit einer Stimme schreien, dass wir einsam durch die Finsternis gleiten und also von Neuem beginnen …
    Immer und immer wieder. Ich konnte dem nicht entkommen. Ich kämpfte, kreischte, um mich über den Schreien zu hören, die in meinem Kopf widerhallten, diesen endlosen, sternenbeschienen Schreien der Avatare, verloren in ihrem Wahnsinn. Bis ich vage spürte, dass ich an meinem eigenen Körper riss, dass meine Fingernägel Funken auf meiner Haut schlugen. Meine Stimme erstarb.
    Dann war Zee in meinem Kopf. Zee und die anderen Jungs, die ein verzweifeltes Wiegenlied summten, bis diese schlangengleiche Residenz in meinem Herzen - das waren jene Schatten, die mein Herz umhüllten - die Verbindung zu Mr. Koenig unterbrachen.
    Der im selben Augenblick floh.
    Ich fühlte, wie es geschah. Ich konnte Mr. Koenigs Geist
schmecken, einen kalten, harten Knoten, als er wie eine Kugel aus dem Fleisch seines zerstörten Körpers schoss. Es war eine merkwürdige, eine schreckliche Empfindung. Als verschwinde ein Teil meines Bauchnabels mit ihm. Ich konnte nichts dagegen tun, denn ich lag ausgestreckt auf dem Steinboden. Ich konnte mich nicht einmal bewegen und kaum etwas sehen. Meine Stimme bestand nur in einem undeutlichen, zischenden Lallen.
    Die Kreatur in mir blieb ruhig. Meine einzige Waffe gegen Mr. Koenig zog sich unerklärlicherweise zurück. Bei jedem anderen Mal, da die Kreatur in mir von mir Besitz ergriffen hatte, hatte sie gnadenlos getötet. Und jetzt, dieses eine Mal, da ich sie gebraucht hätte …
    War sie … nachdenklich geworden.
    Oder auch nicht.
    Es gelang mir, mich auf die Seite zu rollen. Ich war von Leichen umringt.

16
    I ch hatte angefangen, Tagebuch zu führen. Nicht für mich selbst, sondern für die Zukunft, für meine Blutlinie. Jede Jägerin machte solche Aufzeichnungen, die dafür gedacht waren, noch jenseits des Grabes zu inspirieren und zu lehren. Mir tat das Kind leid, das meine Aufzeichnungen einmal erben würde.
    Meine Großmutter war keine besonders fleißige Schreiberin gewesen. Sie hatte nur ein dünnes Heft verfasst, in dem doch ein ganzes Lebensalter beschrieben werden sollte. Weder Avatare noch Jack waren darin erwähnt. Doch als ich im Flur und im Gefängnis von Mr. Koenig lag, kam mir eine flüchtige Notiz in den Sinn, die sich auf einer der letzten Seiten befand; ein rasch niedergekritzelter Gedanke: Das Ergebnis einer Handlung ist immer weniger verdammungswürdig als der Gedanke, der sie hervorbrachte.
    Damit war ich nicht einverstanden.
    Der riesige Tempel war verschwunden. Ich befand mich schon

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