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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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wieder in dem Club, den ich vermutlich niemals verlassen hatte, wo sich die Discokugel drehte und die Musik immer noch einen Beat hämmerte, bei dem mir die Zähne weh taten. Am liebsten hätte ich mit der Faust ein Loch in die Lautsprecherboxen gehämmert.

    Es tanzte zwar niemand, aber sie alle waren keineswegs so tot, wie ich vermutet hatte. Sie waren nur bewusstlos und lagen in schlaffen Körperhaufen auf dem Boden. Es roch nach Leder und Schweiß. Ich lauschte dem ruhigen Atmen von mehr als hundert Körpern und fühlte mich von dem Geräusch merkwürdig getröstet. Jedenfalls so lange, bis ich darüber nachdachte, was passieren würde, wenn diese Frauen und Männer aufwachten.
    Ich versuchte aufzustehen, aber meine Knie versagten mir den Dienst. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich nur Löcher im Kopf. Als ich zu Boden fiel, wusste ich einen Moment lang nicht einmal mehr, wer ich war.
    Bis ich die Tätowierungen auf meinen Händen sah. Rote Augen starrten mich an, funkelten zwischen schwarzen Schuppen und silbernen Adern. Ich rieb mir sanft die Hände, Rohw und Aaz streichelten mich. Ich legte die Hände auf mein Gesicht, atmete tief durch und schüttelte mich.
    Alles, was du tun kannst, ist, dir selbst zu vertrauen , flüsterte die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. Ich klammerte mich an diese Erinnerung, obwohl sie mich schmerzte. Ich hatte mir vertraut und war gescheitert. Mr. Koenig lebte und war verschwunden. Und jetzt wusste er mehr über mich, als gut war. Ich hatte das Überraschungsmoment verspielt.
    Zee grollte auf meiner Haut. Ich erstarrte und hörte unter dem pulsierenden Beat der Musik ein gedämpftes Tippen. Dann spürte ich jemanden hinter mir, jemanden, der nach meiner Schulter griff. Ich drehte mich um, ohne nachzudenken, ergriff die ausgestreckte Hand und drehte sie um. Das männliche Knurren, das ich gleich darauf hörte, wirkte erstaunlich vertraut.
    Aber es war zu spät, um die Hand loszulassen. Ein großer Mann krachte neben mir auf den Boden. Sein Sturz wurde von
einer bewusstlosen Frau abgefedert, deren Brüste aus ihrem winzigen Bustier gerutscht waren. Ein Gehstock aus Eiche landete auf meinen Beinen. Ich beugte mich vor und packte eine Handvoll Flanell. Ich setzte zwar viel zu viel Kraft ein, aber ich wurde eben von der Furcht getrieben. Von Furcht, Schock und Erleichterung.
    »Was tust du hier?«, stieß ich heiser hervor.
    »Was glaubst du wohl?«, keuchte Grant und legte seine Hand um meinen Nacken. Er hielt mich fest, während er mein Gesicht forschend betrachtete. Er war erschreckend ärgerlich. »Hast du denn wirklich geglaubt, dass ich dich einfach so weggehen ließe?«
    »Ich wusste, was ich tue.«
    »Lügnerin«, murmelte er. »Himmel, Maxine. Du sagst mir, ich solle am Leben bleiben, und verschwindest dann mit diesem Ausdruck auf deinem Gesicht …«
    »Mit was für einem Ausdruck?«
    »Als würdest du vor ein Erschießungskommando treten!«, fauchte er und zog mich auf seinen Schoß. »Spiel mir jetzt nicht den Dummkopf vor.«
    Dann grub er seine Finger in mein Haar und küsste mich so leidenschaftlich, dass es mir den Atem verschlug. Meine Augen brannten vor lauter Tränen, und ich klammerte mich an ihn.
    Schließlich hörte er auf, mich zu küssen, aber seine Arme schienen die eines Grizzlybären zu sein, als er mich so fest an seine Brust drückte, dass ich keine Möglichkeit hatte, mich zu befreien. Er rieb seine stoppelige Wange an meiner, und sein Atem strich warm über mein Ohr. Wir hätten überall sein können, überall in der Welt, nur nicht ausgerechnet an diesem Ort, umringt von bewusstlosen Männern und Frauen, während diese laute Musik um uns herum dröhnte.

    »Sieh dir das hier an«, flüsterte er. »Als ich all diese Körper sah, all diese Leute …«
    »Ich habe versagt«, flüsterte ich.
    »Du lebst.« Grant bog den Kopf ein wenig zurück und sah mich an, ohne seine Hände von meinem Gesicht zu nehmen. Zärtlich strich er mit dem Daumen über meine Lippen und wiederholte leise seine Worte. »Du lebst.«
    Ich erwiderte traurig seinen Blick. Ich lebte, ja gewiss, das schon, aber ich hatte alles vermasselt. Grant befand sich jetzt in einer noch viel größeren Gefahr. Wir alle waren wesentlich gefährdeter.
    »Wie hast du …?«, begann ich, als ich eine Bewegung hinter mir spürte. Ich blickte mich um und bemerkte Jack, der sich einen Weg um die Körper herum suchte. Er hatte dunkle Ringe um die Augen, und sein weißes Haar stand in allen Richtungen ab.

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