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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Erinnerung an sie flößt dir Entsetzen ein.«
    »Sie ist tot«, erwiderte der alte Mann knapp.
    »Aber was sie war, das lebt weiter«, konterte ich grimmig. »Sie hätte die Welt beinahe zerstört, als sie noch lebte. Sie ist zu etwas … zu etwas anderem geworden. Und jetzt bin ich es. Genauso gut könnte ›Apokalypse‹ auf meiner Stirn geschrieben stehen. Das jedenfalls bedeutet dieses Mal für Vater Cribari. Und auch für dich, als Oturu mich zeichnete.«
    Jack zog seinen Ärmel herunter und weigerte sich, mich anzusehen. »Einige Wahrheiten sterben niemals, Liebes. Und einige andere sind verdorben.«
    Ich griff nach seinem Arm. »Warum habe ich das gleiche Mal wie sie, Jack? Hatte das etwas mit dem Wesen zu tun, das in mir lebt?«
    »Das weißt du ganz genau«, erwiderte er barsch.
    Ich stand regungslos da und wagte kaum zu atmen. »Was ist es dann?«
    Jack schüttelte den Kopf und schloss die Augen. »Das weiß ich nicht.«
    »Du lügst«, mischte sich Grant ruhig in das Gespräch ein. Er stützte sich schwer auf seinen Gehstock und hatte den anderen Arm um Marys Schultern geschlungen.

    »Nein.« Jack warf ihm einen Blick zu, der hasserfüllt hätte sein können, hätte nicht so viel Furcht darin gelegen. »Wir waren sehr vorsichtig, als wir ihre Blutlinie schufen. Immerhin haben wir Dämonen an einen Menschen gebunden, Junge. Dämonen. Und wir haben es nur einmal getan, weil es zu…, weil es so … unberechenbar war. Vielleicht ist das … Vielleicht ist das, was ihr passierte, ein Teil davon. Ich weiß es einfach nicht!«
    »Aber du bist dafür verantwortlich«, erwiderte Grant. »Antony hat sich in diesem Mal auf deinem Arm erkannt. Und du hast erwartet, dass er dir deshalb gehorchen werde.«
    »Alter Wolf«, murmelte ich. »Was hast du nur getan?«
    Jack sah mich scharf an. »Ich habe versucht, für eure Sicherheit zu sorgen. Für all die Frauen deiner Blutlinie. Ich hatte gute Absichten.«
    »Die Katholische Kirche versucht mich zu töten!«
    »Nur eine Handvoll von ihnen, die isoliert operieren.«
    Zee spuckte aus, und wo seine Spucke das Gras traf, zischte es. »Grimmige Beobachter. Schlechte Eier, Manipulator. Sie haben Blut an den Händen.«
    Müde stand ich auf. »Ist Cribari tot?”
    »Nein«, antwortete Grant.
    »Aber das wird er bald sein«, setzte Jack hinzu.
    »Allerdings.« Ich wechselte einen vielsagenden Blick mit Zee. »Das ist wahr.«

19
    W ir marschierten den Hügel hinunter. Grant ging neben mir, während uns Mary in diskretem Abstand folgte. Ihre Verwandlung setzte sich fort, bruchstückweise. Sie bewegte sich wie ein Schläger, einer von der Sorte, die ich manchmal am Hafen mit ihren russischen Mafiabossen sah. Sie war eine sehnige, zähe Frau geworden, schnell mit der Waffe bei der Hand und mit einem zuversichtlichen, verrückten Blick in ihren Augen, der die elastische Kraft ihres Schrittes noch betonte. Sie wirkte so gefährlich wie eine Frau, die sich gerade das Blut von ihren Händen geschrubbt hatte.
    Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Es war mir einfach nicht klar, was mit ihr geschah. Es gab einen so großen Unterschied zwischen der Frau, die ich kannte und der Frau, die da gerade hinter mir her ging. Trotzdem beschlich mich das merkwürdige Gefühl, ich würde jemanden dabei beobachten, wie er endlich wieder zu sich selbst fand. Allerdings zu einem merkwürdigen, fremden Selbst.
    Grant suchte sich vorsichtig den Weg über den unebenen Boden, die Luft schien sowohl das Klicken seines Gehstocks auf den Steinen als auch sein leises, angestrengtes Keuchen zu verschlucken. Manchmal hörte ich blubbernde Geräusche, und
wenn er hustete, klang es abgehackt und irgendwie feucht. Ich versuchte jeden Gedanken daran zu verdrängen, was da aus seiner Lunge kam, legte den Kopf in den Nacken und starrte nach oben. Sterne funkelten in der Nacht, und das Band der Milchstraße erstreckte sich bis über die Gipfel der Berge. Ich fühlte mich sehr klein unter diesem gewaltigen Firmament. Alles, was ich war und sein konnte, war nur ein winziger Moment, verloren in der Zeit.
    »Da draußen ist Leben«, sagte ich, während Zee und die anderen durch die Schatten um unsere Beine schlichen. Ihre roten Augen glühten, und ihre Krallen zerfurchten Steine, während sie in ihrer melodischen, unverständlichen Sprache miteinander flüsterten.
    »Hier ist Leben.« Grant unterdrückte ein Husten und deutete auf die golden schimmernden Lichter der Zivilisation, die in der Ferne funkelten.

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