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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Tenderness Is His Way.
    Ich stand unsicher auf und stellte mich neben Grant. Ich wusste nicht, was mich erwartete, wenn ich seine Hand berührte.
Seine Finger waren heiß, als er mich sofort packte und meine Hand drückte. Er zitterte.
    Dann ließ er mich los und überwand die Distanz zu Cribari mit einem Schritt. Ich hielt ihn nicht auf, rührte mich nicht, nicht einmal, als er seine Handfläche unmittelbar über den Kopf des gefangenen Priesters legte. Beide Männer starrten sich in die Augen, und solange ich lebte würde ich niemals das Gefühl dieser kalten, harten Geschichte vergessen, die sich in diesem Augenblick zwischen den beiden Männern austauschte - und auch nicht die Spannung, die meine Haut wie das Echo eines Gewitters überlief. Ich hielt die Luft an und beobachtete Grant.
    Dieser begann einige Augenblicke später, die Sterbesakramente zu beten.
    Seine Stimme war so leise, dass ich ihn kaum hören konnte, sein Ton jedoch war kontrolliert und ruhig, ohne Ärger, Freude oder Schmerz. Er sprach die Worte einfach und freundlich aus, und Cribari beobachtete ihn, ohne zu blinzeln, und zwar bis zum Ende. Tränen liefen ihm zwar über die glänzenden Wangen, doch es lag kein Bedauern darin. Nur Resignation und diese kochende Wut, die noch unter den Resten seiner fahlen Haut wie ein schreckliches, unsichtbares Feuer zu brennen schien.
    Grant war fertig und griff nach einem Moment des Schweigens nach meiner Hand. Er zog mich an sich, bis ich direkt vor Cribari stand.
    »Sieh sie an!« Er flüsterte, aber diesmal strömte Macht in seiner Stimme. »Sieh genau hin, Antony. Sie wird leben und ihr Kind bekommen. Sie wird diese Welt verändern. Alles, was du getan hast, war vergeblich.«
    Cribari starrte ihn an, und dann zuckte sein Blick zur Seite,
traf so durchdringend und finster ausschließlich mich, dass meine Haut kribbelte und mein Herz wie rasend hämmerte. Die Jungs kamen näher, Grant packte meine Finger fester. Seine Hand war kräftig und stark.
    Es tut mir leid, hätte ich gern zu Cribari gesagt, als das Mitleid als eine große Woge in meinem Hals wallte. Aber ich unterdrückte die Worte und blieb regungslos stehen, als sich Zee dem Felsen näherte und sich auf die Zehenspitzen stellte, um dem Priester nachdenklich ins Gesicht sehen zu können. Cribaris Nasenflügel bebte, und dabei verzerrten sich die sichtbaren Reste seines Gesichtes vor Abscheu und Entsetzen.
    »Maxine«, schnarrte Zee.
    »Mach es schnell«, erwiderte ich, drehte mich um und zog Grant mit mir. Wir gingen weg, und Mary schloss sich uns an. Leise sang sie. Niemand blickte zurück, nur Dek und Mal. Sie saßen hoch oben in meinem Haar, so stumm wie die Nacht.
    Als Cribari außer Sicht war, hinter einem Vorsprung der Anhöhe verschwunden, wurde die Stimme der alten Frau lauter. Ihre unverständlichen Worte erklangen in einer so melancholischen Melodie, dass es mir vorkam, als sänge sie eine Totenklage.
    Grant warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. »Ich kenne diese Musik.«
    Er versuchte, in ihr Lied einzustimmen, seine Stimme glitt wie ein samtener Handschuh über die Melodie. Doch nur kurz darauf begann er zu husten. Er konnte nicht mehr aufhören, hustete krampfhaft in seine Hand und krümmte sich. Ich hielt den Atem an, bis er aufhörte. Seine Handfläche war von Blut bedeckt.
    Mary riss ein Stück ihres Kleides ab und wischte seine Hand sauber. Grant versuchte sie daran zu hindern, aber sie packte sein Handgelenk und ließ nicht los.

    »Du bist nie allein«, murmelte sie.
    Mein Nacken prickelte. Ich sah den Hang hinauf zum Gipfel und bemerkte eine einsame Gestalt, die uns beobachtete. Im Licht der Sterne schimmerte sein Haar noch silbern, doch seine schlanke, hagere Gestalt war kaum mehr als ein dunkler Strich.
    Jack wartete auf uns, während wir den Hang erklommen. Als wir ihn endlich erreichten, schlichen Zee und Aaz bereits wieder durch die Schatten. Ich wechselte einen langen Blick mit ihnen, und sie nickten, ein einziges Mal. Von Rohw war nichts zu sehen.
    »Es ist vollbracht«, sagte ich zu dem alten Mann. Ich war plötzlich so erschöpft, dass ich nur noch ins Gras sinken und meine Augen schließen wollte. Ich wünschte mir, die Augen schließen zu können und dieses gruselige Gesicht nie wieder sehen zu müssen.
    »Gut«, gab er zurück.
    »Gut?«, wiederholte ich. »Da ist aber überhaupt nichts Gutes passiert.«
    Jacks Schultern sanken zusammen, doch er drehte sich um und schritt den Hügel hinauf. »Der Junge ist gekommen,

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