Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
zusammen mit einer schweren, goldenen Halskette, die ein wenig über die alte Holzplatte rutschte. Ich war kein Experte, was Schmuck betraf. Ich trug keinen, nur diese kleine Fingerrüstung, und auch die nicht freiwillig. Aber die Halskette, die vor uns auf dem Schreibtisch lag, war wirklich bemerkenswert. Das Metall schimmerte wie Samt, der von der Sonne beschienen wird. Sie bestand aus reinem, weichem Gold, von der Art, dass man darauf eine Delle hinterließe, bisse man hinein.
    An der massiven Kette hing ein Anhänger. Er bestand aus gewundenen Linien, wie eine Rose.
    »Meine Mutter war meine Welt«, sagte Grant leise und betastete die Halskette. »Du weißt, dass sie gestorben ist, während ich noch auf der Highschool war? An Krebs. Mein Vater und ich waren am Boden zerstört, vor allem er. Er wollte nicht über sie sprechen. Und du weißt auch … Du weißt, dass man nie daran denkt, bestimmte Fragen zu stellen, weil man alles für selbstverständlich nimmt, und dann … Sobald die Person gegangen ist, verfolgen einen all diese Dinge, die man nun nie mehr von ihr erfahren wird.«
    »Ja«, sagte ich. »Das weiß ich.«
    Er schob die Halskette zur Seite und strich mit den Fingern sacht über die Mappe. »Damals habe ich deshalb nichts unternommen. Ich glaube nicht, dass ich jemals etwas unternommen hätte, wenn nicht…«
    »… die Ereignisse alles verändert hätten«, beendete ich den Satz für ihn. Er warf mir einen langen, ruhigen Blick zu, der gleichzeitig gelassen und schmerzerfüllt wirkte.

    »Was passiert ist«, stimmte er mir ernst zu, »als mich dieses … dieses Ding mit diesem Namen bezeichnete.«
    Lichtbringer , dachte ich und hatte das Gefühl, die zierliche Rüstung an meinem Finger erbebe dabei; als schlüge ein kleines Herz für kurze Zeit etwas heftiger. Ich ballte meine Hand zu einer Faust, und Hitze strömte durch meine tätowierte Haut.
    Ich glaubte nicht an das Übernatürliche. Das Übernatürliche war bloß ein Märchen. Ich hatte genug mit der Realität zu tun, mit den kalten, harten Fakten. Und einer dieser Fakten war, dass immer mehr Dämonen durch die Welt streiften. Und dass andere Kreaturen existierten, die ebenfalls Besitz von Menschen ergreifen konnten.
    Avatare. Körperliche Manifestationen von intelligenter Energie. Alte Wesen, die einst gegen die Dämonen gekämpft hatten und diese Gefängnisschleier geschaffen hatten, um die Dämonen festzuhalten. Sie hatten auch meine Art geschaffen, die Bannwächter, und dann diese Welt verlassen, um zu anderen Welten weiterzuziehen, in denen die Erinnerung an die Schlacht nicht so allgegenwärtig war.
    Aber sie waren nicht alle verschwunden. Einige waren auch freiwillig hiergeblieben, andere weniger freiwillig.
    Aber eines war klar: Avatare sahen etwas in Grant, etwas, wofür sie einen Namen hatten, und das hatte einem von ihnen eine Todesangst eingejagt. Oder es hatte sie so sehr schockiert, dass es fast auf dasselbe hinauslief. Im Vergleich dazu kam ich mir wie eine Miezekatze vor, unbedeutend, eine bloße Anfängerin in der Ausübung der Kunst des Tötens.
    Ich hatte diesen Avatar getötet. Ich hatte sie vernichtet, und einen Teil von mir auch, mit nur einer einzigen Berührung. Ich hatte keine Wahl gehabt. Es war unmöglich gewesen, sie über Grant auszufragen. Und das einzige andere Individuum, das die
ganze Wahrheit darüber wusste, worum genau es sich bei meinem Mann eigentlich handelte, war wie vom Erdboden verschwunden, und zwar seit fast drei Monaten.
    Mein Großvater. Jack Meddle.
    »Also«, sagte ich. »Die Akte.«
    »Der Privatdetektiv, den ich angeheuert habe, war sehr gründlich.«
    »Und?«
    Er sah mich nicht an. »Meine Mutter hat nicht existiert, bevor sie meinen Dad geheiratet hat. Jedenfalls nicht auf dem Papier. Es gibt nichts über sie, Maxine, überhaupt nichts.«
    Ich zögerte. »Sie könnte aus einem anderen Land gekommen und heimlich eingewandert sein. Das ist nicht besonders schwer.«
    »Stimmt.« Endlich sah er mich an. »Aber der Privatdetektiv hat alte Nachbarn gefunden und auch irgendwelche Krankenhausaufzeichnungen ausgegraben. Nach dem, was er entdeckt hat, musste ich bereits geboren worden sein, bevor sie geheiratet hatten. Ich war damals mindestens ein Jahr alt.«
    Sonderlich skandalös klang das nicht gerade. Aber etwas in seinem Tonfall machte mich doch stutzig. Ich saß auf seinem Schoß, und er war so angespannt wie ein Blinder in einem Minenfeld. Gern hätte ich seine Hand gehalten und ihn an mich

Weitere Kostenlose Bücher