In Den Armen Der Finsternis
Kreativität eine Sammlung von Gerätschaften ersonnen hätte, die aus dieser Welt einen noch merkwürdigeren Ort machen sollten, als sie ohnehin schon zu sein schien.
Im Untergeschoss roch es nach feuchtem Beton und Maschinenöl. Meine Cowboystiefel knallten laut auf dem Boden und Dick Van Dykes Stimme hallte fröhlich durch die schattigen Gewölbe. Der Mary-Poppins- Soundtrack Chim-Chim-Chereete spielte gegen die stählernen Rohre und eisernen Zahnräder an. Ich folgte der Musik in einen Raum, der ziemlich weit von der Treppe entfernt lag, und beobachtete die Schatten, die über den beleuchteten Spalt um die halbgeschlossene Eisentür zuckten.
Ich warf einen Blick in den Raum. Zuerst sah ich endlose Reihen von Regalbrettern, auf denen flache, mit Erde gefüllte Holzschalen standen, in denen sorgfältig aufgereiht kleine
grüne Pflänzchen wuchsen. An Ketten und Seilen hingen hier und da Infrarotlampen von der Decke hinunter, und in den Gängen lagen einige sehr hübsche Flickenteppiche, selbstgemacht, wie ich wusste, und zahlreiche Pappkartons, in denen sich buntes Garn und Tuchballen türmten.
In Dyck Van Dykes Stimme mischte sich ein dumpfes Murmeln. Ich schob die Tür noch ein Stück weiter auf und bemerkte eine finstere Aura, die über einem gebeugten braunen Haarschopf waberte, der von einer roten Wollmütze bedeckt war. Ich sah verwelkte, gekrümmte Hände und einen Werkzeuggürtel, der tief auf einer schmalen Taille saß.
Der Zombie beobachtete Mary, die seine Gegenwart überhaupt nicht wahrzunehmen schien. Sie sang zu der Musik und stand barfuß auf den Zehen, während sie sorgfältig und äußerst liebevoll ihre Marihuanapflanzen wässerte. Ihr wirres weißes Haar hatte sie zu einem Dutt zusammengebunden, ihre Arme waren nackt. Kein Gramm Fett war daran, nur Sehnen und Knochen. Alte Einstichnarben bedeckten ihre blasse Haut. Grant hatte Mary vor vielen Jahren in der Gosse gefunden, wo sie beinahe an einer Überdosis verreckt wäre. Er hatte sie wieder hochgepäppelt, woraufhin ihn die alte Frau nie verlassen hatte. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob sie dazu überhaupt in der Lage gewesen wäre.
»Herr im Himmel«, knurrte Rex. »Heilige verfluchte Scheiße!«
»Allerdings«, sagte ich, während ich die illegale Plantage musterte. »Es ist wirklich bemerkenswert, wie hier so etwas möglich ist.«
Rex drehte sich um und warf mir einen giftigen Blick zu. Seine Aura verriet jedoch seine Furcht, denn sie waberte in alle Richtungen, wie Feuerwerksraketen, die von den Schatten
in seiner Seele gespeist werden. Er war der älteste Zombie, der von Grant bekehrt worden war; der älteste in dem Sinne, dass sein Parasit schon vor langer Zeit von ihm Besitz ergriffen hatte. Und obwohl ich der Vorstellung, dass sich ein Dämon freiwillig nach einer Veränderung seines Wesens sehnen könnte, nach wie vor misstraute, war ich von der Hingabe dieses Zombies zu Grant dennoch überzeugt. Das genügte, um ihn am Leben zu lassen. Vorläufig.
»Ich hab diese neue Zucht gerade erst gefunden«, sagte Rex, als fürchtete er, ich könnte ihm eine Mitschuld geben und endlich meine alte Drohung wahrmachen, ihn zu exorzieren und seinen sich windenden dämonischen Körper an die Jungs zu verfüttern.
»Ja, letzte Woche war es noch die Südseite des Kellers«, antwortete ich friedfertig und beobachtete Mary, die jetzt zu der melancholischen Melodie von Feed The Birds sang. »Hast du eine Ahnung, wo sie immer wieder diese Ausrüstung herbekommt?«
»Mist«, knurrte der Zombie. »Such dir was aus. Mit dem Erlös einer einzigen Ernte könnte sie eine ganze Armee von Handlangern anheuern.«
»Hier unten war aber niemand. Da bin ich mir sicher.«
»Wenn du meinst.« Rex rieb sich das Kinn, und seine Aura beruhigte sich. Vielleicht spürte der Dämon, dass er nicht schon im nächsten Moment mit dem Ende seiner Existenz rechnen musste. »Wenn die Polizei über das hier stolpert, werden sie Grant Feuer unterm Hintern machen. Sie werden uns alle rösten.«
»Grant würde niemandem die Schuld geben«, antwortete ich, aber mir war klar, dass es darum gar nicht ging. Grant liebte Mary. Er hatte ihr das Leben gerettet. Wenn sie wegen Drogendealerei
ins Gefängnis musste, dann würde ihn das auf eine Weise schmerzen, über die ich nicht einmal nachdenken wollte. Das Problem war nur, dass Mary und Marihuana wie siamesische Zwillinge waren: Wo das eine war, befand sich auch die andere, ganz gleich, wie unmöglich dies auch scheinen
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