In Den Armen Der Finsternis
Haut. Grant küsste meine Hand.
»Mir tut es nicht sonderlich leid, dass sie dich gefeuert haben«,
sagte ich leise. Mein Herz schmerzte seinetwegen. »Aber ich bin auch egoistisch.«
Er lächelte und drückte meine Hand mit dieser sanften Kraft, bei der mir immer die Augen brannten, vor allem in den unerwartetsten Momenten, so wie jetzt.
»Es bekümmert mich, dass ich dich allein lasse, Maxine. Ich habe dabei ein schlechtes Gefühl.«
»Ich sagte dir doch, dass ich klarkomme.«
»Du hast nur nicht gesagt, wie.«
»Ich glaube, das weißt du aber.«
Er sah mich lange und ruhig an. »Und du bist dir wirklich sicher?«
»Grant«, erwiderte ich leise. »Ich habe nie irgendwelche Antworten gewusst. Ich tue nur, was getan werden muss. Genauso wie du.«
»Genauso wie ich«, murmelte er. »Du brauchst mich«, fuhr er dann fort. »Du brauchst jemanden, der dir den Rücken freihält.«
»Vertrau mir, man hält mir schon den Rücken frei.«
»Ha!«, meinte er. »Du hast Angst. Seit heute Morgen hast du Angst.«
»Nein.«
Grants Griff verstärkte sich. »Du bist eine schlechte Lügnerin.«
Ich schob seine Hand weg. »Sieh mich nicht so an.«
Er packte mich erneut, aber diesmal griff er in mein Haar. Es tat nicht weh, doch die Art, wie er zupackte und die Intensität seines Blickes dabei ließen mich vor Überraschung erstarren.
»Ich liebe dich«, sagte er und zog mich so fest an sich, dass ich kaum noch Luft bekam. »Es ist leicht, dich zu lieben, Maxine, aber es ist schwer, mit dir zu leben. Deswegen. Weil die
Welt dir schaden will und ich dich nicht beschützen kann. Weil ich weiß … ich weiß, dass wir keine fünfzig Jahre miteinander haben werden. Vielleicht nicht einmal zwanzig oder auch nur zehn.« Grant beugte sich vor, und ich hatte das Gefühl, von dem Schmerz in seinem Blick verschlungen zu werden; es war ein Spiegel meines eigenen Schmerzes, den ich niemals auszusprechen oder auch nur anzuerkennen gewagt hatte.
»Du wirst mich verlassen«, flüsterte er. »Aus freiem Willen oder durch den Tod. Und vielleicht… vielleicht wirst du dabei jemanden zurücklassen. Jemanden, den wir zusammen hervorbringen werden. Aber du wirst trotzdem gegangen sein, und du weißt nicht… Du verstehst nicht…«
Ich legte ihm die Hand auf den Mund, bevor er noch ein Wort sagen konnte. Ich verstand sehr wohl. Ich wusste es. Ich war ja auch zurückgelassen worden.
»Wir haben Zeit«, sagte ich.
Grant schloss die Augen. »Zeit, die möchte ich auch haben. Aber ich möchte noch mehr, Maxine. Ich will dich beschützen. Ich will, dass du mir erlaubst, dir zu helfen. Weil ich dich nicht einfach sterben lassen will. Wenn die Jungs dich verlassen, wenn sie dich für deine Tochter aufgeben, dann werde ich dich nicht aufgeben. Ich werde nicht einfach Lebewohl sagen. Nicht so. Du wirst nicht so enden wie all die anderen Frauen aus deiner Familie. Ich will, dass du als alte Frau stirbst, und zwar mit mir. In unserem Bett. In meinen Armen. Ich will, dass dein Herz aufhört zu schlagen, Maxine, aber erst dann, wenn du dazu bereit bist. Und nicht, weil dir irgendein Dämon eine Kugel in den Kopf jagt.«
Ich starrte ihn bestürzt an. Ich hatte keine Ahnung, dass ich weinte, bis ich blinzelte und Tränen über meine Wangen herunterliefen. Ich wollte sie wegwischen, aber Grant küsste mein
Gesicht und strich mit dem Daumen über meine Haut. Mein Herz hämmerte so heftig, dass ich nach Luft rang.
»Maxine«, murmelte er mir ins Ohr. »Nicht weinen.«
Stirb mir ja nicht, dachte ich. Nicht vor mir. Ich schniefte und rieb mir die Nase. »Geh jetzt, ich werde da sein. Wir stehen das gemeinsam durch.«
Er zögerte. »Du dachtest, es wäre eine Falle.«
»Das denke ich immer noch. Also geh oder lass es, aber nicht, weil du dir Sorgen um mich machst. Sonst würdest du dir immer Sorgen machen und das eines Tages bedauern. Und Reue kann schnell in Widerwillen umschlagen.« Ich zwang mich zu lächeln und die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. »Du sagst, du begehrst mich noch, wenn ich alt und runzlig bin? Okay - aber versuchen wir erst mal, dorthin zu kommen, ohne dass du dir wünschst, irgendetwas anders gemacht zu haben.«
Grant schüttelte den Kopf. Seine Wangen waren gerötet, und die Haut um den Hals herum hatte rote Flecken. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er strich mir das Haar aus dem Gesicht und legte seine Handfläche auf meine Schläfe, genau dorthin, wo mich die Kugel getroffen hatte. Ob er mich absichtlich oder nur
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