Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
die Verbindung zwischen den beiden nicht. Und ich kann mir auch nicht erklären, warum er dich erkannt hat.«
    »Ich bin eben ein sehr bekanntes Mädchen«, erwiderte ich gedämpft, während mir zum ersten Mal auffiel, dass Grant es vermied, Vater Cribari mit seinem Titel zu nennen. Er sprach immer nur von Antony. Ein kleiner Akt des Trotzes vielleicht, eine Weigerung, dem Mann Respekt zu erweisen.
    »Geht es dir gut?«, erkundigte ich mich.
    »Jedenfalls geht es mir jetzt besser«, erwiderte er, aber seine Stimme klang heiser, und einen Augenblick lang starrte er mich nur an. Ich konnte den Blick nicht abwenden. Es tat gut, Grants Gesicht zu sehen, sogar verdammt gut.
    »Du hast es geschafft«, bemerkte er.
    »Natürlich«, gab ich zurück, obwohl mich dabei kurz die Erinnerungen überfluteten, nämlich an das, was mich hierhergeführt hatte und … was ich wusste.
    Grants Blick zuckte zu meinem Scheitel. »Maxine.«
    »Cribari hat versucht, mich umbringen zu lassen«, stieß ich hervor. »Zweimal. Ich glaube, er bekommt seine Befehle von einem Avatar. Das alles ist Teil eines komplexen Plans, aber trotzdem - ich kenne die Gründe nicht. Ich verstehe nicht einmal, warum sie nicht längst versucht haben, dich zu entführen. Zeit genug dafür hätten sie doch gehabt.«
    Grant erstarrte. Ich konnte verhindern, dass er herumfuhr, indem ich seine Hand so fest drückte, dass er zusammenzuckte. Ich zwang ihn weiterzugehen, aber er kam kurz ins Straucheln und der Klang seines Gehstocks auf dem Steinboden hörte sich nach Pistolenschüssen an.
    »Lass dir nicht anmerken, dass du es weißt«, drängte ich ihn.
»Wir werden deinen Freund finden, falls er überhaupt hier ist, und dann verschwinden wir, so schnell wir können.«
    »Zuerst müssen wir mal aus dieser Kathedrale raus«, flüsterte er heiser, während er meine Hand drückte. »Mein Gott, ich werde Antony in den Hintern treten.«
    Wir schritten durch das gewaltige, offene Portal in die stille, kühle Nacht hinaus. Vor uns lag das Eisentor mit dem Wachhäuschen daneben. Die Wachen standen jetzt draußen und berieten sich leise. Es waren Männer, die mir das Leben sehr schwer machen konnten, und das auf eine ganz und gar nicht übernatürliche Art und Weise.
    Ihre Aufmerksamkeit gefiel mir überhaupt nicht. Ich fühlte mich plötzlich hilflos. Eigentlich sollte ich einer der mächtigsten Menschen auf der Welt sein, zurzeit kam ich mir aber wie ein Scharlatan mit einem Blechschwert in der Hand vor, angesichts der menschlichen Gesetze und der Bürokratie und - nicht zu vergessen - auch der Ungeheuerlichkeit von all dem anderen, für das ich verantwortlich war. Ich sollte die Welt retten, ich war geboren worden, um Leben zu retten, und jetzt schien ich nicht einmal mich selbst retten zu können.
    »Ich vermisse die Zombies«, fauchte ich leise. »Und diese gottverdammten Dämonen auch. Was zum Teufel ist bloß mit mir passiert?«
    »Deine Welt ist größer geworden«, murmelte Grant und fuhr dann plötzlich deutlich lauter und etwas unzusammenhängend fort: »Die Jesuiten haben diese Kathedrale erbaut, im Jahr 1910, glaube ich. Aber der Orden ist seit 1608 hier vertreten. Das Land wurde ihnen von einem hochrangigen Beamten der Ming-Dynastie überlassen, der zum Katholizismus übergetreten ist.«
    »Tatsächlich«, erwiderte ich steif. »Was du nicht sagst.«

    Er führte mich weiter zum Tor, als gehöre ich hierhin und als wären wir auf einer Besichtigungstour. Bei jedem weiteren Schritt veränderte sich Grant mehr: Seine Überheblichkeit fiel von ihm ab, jeder Anspruch, jedes Privileg, bis ein vollkommen anderer Mann neben mir her humpelte. Ein Mann, der das Stereotyp von widerlich reich und gutaussehend geradezu perfekt erfüllte - und zudem unerträglich langweilig wirkte.
    »Die Kathedrale«, fuhr er unbeeindruckt fort, als wir das Tor fast erreicht hatten, »wurde während der Kulturrevolution als Getreidespeicher benutzt. Die Nonnen kamen unter Hausarrest. Siehst du das Gebäude auf der anderen Straßenseite? Dort haben sie gewohnt. Jetzt ist es ein Steakhaus.«
    »Faszinierend«, gab ich zurück. Dasselbe hätte ich auch gesagt, wenn er mir verraten hätte, dass er sich gern als Eichhörnchen verkleidete und mit Eicheln jonglierte. Ich hatte kein einziges Wort von dem, was er sagte, begriffen. Vater Cribari und Vater Lawrence gingen hinter uns her, und meine Aufmerksamkeit verteilte sich auf diese beiden und auch auf die Männer, die immer noch neben dem

Weitere Kostenlose Bücher