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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Wachhäuschen standen. Sie trugen einfache schwarze Hosen und kurzärmelige Hemden. Ihre Blicke jedoch waren kalt und abschätzend, vor allem, wenn sie mich ansahen.
    Ich versuchte, mein schönstes Gesicht aufzusetzen. Da ich nie viel Zeit vor dem Spiegel verbrachte, wusste ich nicht genau, wie das aussah. Aber ich blickte den Männern direkt in die Augen und versuchte, nicht schuldbewusst zu wirken, sondern zuversichtlich. Wie ein Mädchen, das mit seinem Freund eine Besichtigungstour macht. Nichts, worauf man Zeit verschwenden musste, jedenfalls nicht zu dieser Stunde und nicht bei ihrer Bezahlung.

    »Das gehörte nicht zur Vereinbarung«, sagte einer der Männer. Sein Englisch hatte einen schwachen Akzent.
    Auf Grants Miene zeichnete sich Überraschung und ein Anflug von Ärger ab. »Mr. Shu, mir ist zwar klar, dass Vater Cribari und Vater Lawrence diese Besichtigung in letzter Minute arrangiert haben, aber ich war mir doch absolut sicher, sie hätten Ihnen auch gesagt, dass meine Frau ebenfalls mitkäme.«
    Vater Lawrence gab ein ersticktes Geräusch von sich, ich dagegen war einfach nur begeistert. Mr. Shu kniff die Augen zusammen und sah seinen Kollegen an. Der musterte mich von Kopf bis Fuß mit der emotionalen Vielfalt eines Felsens. Ich hatte den Eindruck, dass er meine einzelnen Teile zusammenrechnete: Aussehen, Verhalten, die Art und Weise, wie ich Grants Hand umklammerte. Offenbar befriedigte ihn das Ergebnis, das er herausbekam, aber nicht im Geringsten.
    »Ich habe nicht gesehen, wie Sie hineingegangen sind«, sagte er schließlich. Seine Stimme klang müde und gestresst, wie sie bei jedem Mann geklungen hätte, der gezwungen gewesen wäre, diesen Job zu einer so unchristlichen Zeit zu erledigen: Er war müde und ein wenig gereizt. Ich mochte ihn aber irgendwie und wollte ihm ein Hintertürchen öffnen.
    »Ich hatte mich verspätet«, antwortete ich, während ich überlegte, ob man tatsächlich jung und unschuldig aussehen konnte, wenn man es einfach nur versuchte. Vermutlich hätte ich damit ebenso wenig Erfolg wie ein Krokodil, das so tat, als sei es zum Vegetarier mutiert.
    Der zweite Beamte zupfte einen Zahnstocher aus der Hemdtasche und schob ihn sich zwischen die Zähne. »Ihren Ausweis.«
    »Ach je«, antwortete ich. »Ich glaube, den hab ich im Hotel gelassen.«

    Genauer gesagt, in einem Loft gut sechstausend Meilen entfernt. Da es hier Nacht war, musste in Seattle gerade Tag sein. Also konnte keiner der Jungs kurz nach Hause zischen und meinen Pass holen. Zee, Rohw und Aaz kauerten hinter den Gargoyles, die die Kathedrale dekorierten. Sie beobachteten uns mit ihren schwächlich rotglühenden Augen. Die Ironie dieser Situation würde mich schneller umbringen als jede gut getimte Kugel.
    »Tut mir leid«, fuhr ich aufrichtig fort. »Ich wollte keine Schwierigkeiten machen, sondern einfach nur bei ihm sein.« Ich tätschelte bei diesen Worten Grants Oberarm und schmiegte dann meine Wange daran. Grant strich zart durch mein Haar. Seine Finger waren warm.
    Die beiden Männer starrten uns an. Grant legte seine Hand auf das Tor. »Vater Lawrence, kümmern Sie sich darum. Wir haben noch eine Verabredung und sind schon ziemlich spät dran.«
    Eine Verabredung um Mitternacht! Vater Lawrence versuchte wahrscheinlich im Boden zu versinken. Vater Cribari verschränkte seine Arme vor der Brust, aber das war auch schon alles. Seinem Gesicht war nichts anzumerken. Grant schob mich durch das offene Tor. Niemand hielt uns auf, aber hinter mir hörte ich einige scharfe Worte in einer Mischung aus Chinesisch und Englisch. Humpelnd führte mich Grant hastig davon und wir folgten der Mauer um die Kathedrale in Richtung einer ruhigen Seitenstraße.
    »Gar nicht schlecht«, sagte ich und versuchte, nicht atemlos zu klingen.
    Grant warf mir einen Seitenblick zu. »Diese Männer gehören zur Geheimpolizei. Sie hätten uns verhaften und zu einem Verhör bringen können, mindestens. Die religiöse Toleranz in
China wächst zwar, aber die Regierung schätzt Leute gar nicht, die hierherkommen, um die Situation zu politisieren.«
    »Also spielst du einen reichen Kerl, der vor seinem Mädchen angibt - und tust dabei so, als hättest du nichts Falsches gemacht? Nett.«
    »Ich habe von meinem Vater gelernt«, erwiderte Grant. »Vermutlich dasselbe, was du von deiner Mutter gelernt hast. Macht ist etwas höchst Wechselhaftes. Sie kann von einer Person zur anderen fließen. Die mächtigste Person in einem beliebigen Raum muss

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