In den Armen der Nacht
hatte es fast
verdrängt - das leise, zögernde Wispern in seinem Hirn, das ihm suggerierte, welche Macht er besaß. Er konnte jede Frau haben. Er konnte Bedürftigen helfen. Er konnte einen Mann mit bloßer Hand zerquetschen.
Er war ein Gott.
Dann war es plötzlich wie ein Schlag ins Gesicht, denn eine tiefere, hartnäckigere Stimme erklang in seinem Gehirn.
Kein Gott. Ein Dämon.
Er öffnete die Augen, gewahrte Jedi im Rückspiegel.
Der Junge fixierte seinen Blick angestrengt auf die Kontrollinstrumente.
Folglich konzentierte Rurik sich auf das Lager unter ihnen. Nahm Details wahr, die er sonst nie zu sehen bekommen hätte.
Lastwagen. Menschen.
Scheiße.
Nach einem weiteren langen Atemzug schärfte er den Blick erneut auf das Geschehen.
Eine Basis für Atomraketen. Genügend Sprengköpfe - wie viele genau? Zähl sie. Genug, um die Amerikaner, die Pakistanis und den ganzen indischen Subkontinent auszulöschen. Rurik schäumte vor Zorn. Diese ignoranten, selbstherrlichen kleinen Tyrannen. Das Arsenal da unten reichte vermutlich, um die ganze Welt in Schutt und Asche zu legen.
Wieder flüsterte die kleine, beschwörende Stimme in seinem Kopf.
Er besaß das nötige Potenzial, um dieses Szenario umgehend zu beenden. Diesem Horror gehörte schleunigst ein Riegel vorgeschoben.
Hinter sich vernahm er ein gepresstes Stöhnen, und das
rüttelte ihn mehr auf als die Erinnerung an die tiefe beharrliche Stimme seines Vaters.
Korrekt. Er hatte einen Job zu erledigen. Die absolute Macht über Leben und Tod würde warten müssen.
»Keine Panik, Jedi. Wir haben sie noch rechtzeitig enttarnt.« Er drehte an dem Knopf für die Funkübertragung - und merkte auf, als er das Klicken vernahm, mit dem Jedi seine Pistole entsicherte.
Er starrte in den Spiegel, erntdeckte seinen eigenen Blick - das rötliche Aufblitzen in den Tiefen seiner länglich ovalen Pupillen, den Hauch des Übersinnlichen.
Er traf auf den Blick des Jungen.
Jedis Augen waren die eines Menschen, eines Menschen, der beherzt, blind entschlossen - und zugleich entsetzt war.
Jedi war Luftwaffenpilot, ein Spezialist in der Waffenaufklärung und hervorragend trainiert, um mit jeder militärisch denkbaren Situation klarzukommen.
Eine solche Situation hatte das Militär allerdings nicht einkalkuliert.
Jedi richtete seine Pistole auf Rurik. »Leg deine Hände langsam auf die Instrumententafel, wo ich sie sehen kann.«
Rurik überlegte krampfhaft, womit er die brisante Lage entspannen könnte. »Jedi … Jedi, flieg das Flugzeug«, murmelte er begütigend.
»Das mach ich. Und du tust, was ich dir sage.«
Im Zeitlupentempo befolgte Rurik Jedis Anweisung; er legte seine Hände auf das Panel, während er den Rückspiegel fixierte und den Blick starr auf Jedi gerichtet hielt.
Auf Jedis Wangen malten sich hektisch rote Flecken.
Das Problem war, der Junge hatte zu wenig Erfahrung, um Rurik mit der Waffe zu bedrohen, dabei gleichzeitig die
Blackshadow zu steuern - und seine Angst zu kanalisieren. Eine Angst, die sich zunehmend in Wut verwandelte.
Wütend fuhr der Junge ihn an: »Wieso schaust du mich so an? Was ist mit deinen Augen los?«
Verflucht. Rurik hatte Jedi ausdrücklich angewiesen, sich auf das Flugzeug zu konzentrieren. Konnte der Typ nicht einfach die Order befolgen und sein Maul halten? »Hä? Quatsch keinen Scheiß.«
»Kein Wunder, dass du der waghalsigste Pilot von uns allen bist. Du bist auf irgendeiner …« Jedi drückte den Knopf für den Sprechfunk.
Puffy - Major Jerry Jacobs - meldete sich, ein Fakt, der Rurik zusätzlich bewies, dass ihre Mission außerordentlich heikel war. Puffy war in sämtliche brisante Geheimmissionen eingeweiht, das erklärte alles. »Was gibt’s, Blackshadow?«
»Captain Wilder ist auf irgendeiner Droge, Major«, plärrte Jedi.
Dieser kleine Scheißer. Jetzt hatten sie ein ernstes Problem.
»Officer, ist Ihnen klar, was Sie da sagen?« Major Jacobs klang ziemlich verschnupft.
»Er ist auf irgendeiner Designerdroge. Seine Augen flackern rot. Als wäre er der …« Jedi stockte. Schluckte. »Rot wie Feuer. Und seine Pupillen haben die Form geändert. Man sieht es ganz deutlich.«
Jacobs’ Stimme nahm einen leise warnenden Ton an. »Sind Sie sich der Tatsache bewusst, wie schwerwiegend eine solche Anschuldigung ist?«
»Ich hab es ganz deutlich gesehen, Sir.« Jedi war uneinsichtig - und panisch. Er wusste um die Brisanz seiner Anschuldigung und seiner Aktion und machte sich fast in die Hosen vor Angst.
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