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In den Armen der Nacht

Titel: In den Armen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd Beate Darius
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lassen: Sie fragte nicht lange, woher er dies wusste. Und sie diskutierte auch nicht. Sie begleitete ihn, als er den schlaffen Körper der Ordensfrau durch das Mittelschiff trug. Sie verließen die
Kapelle, bogen zweimal nach rechts und betraten den kleinen Friedhof, über den eine alte ausladende Trauerweide schützend ihr zartes, grün belaubtes Astwerk breitete.
    Rurik bettete Schwester Maria Helvig in den einfach gezimmerten Holzsarg, der dort draußen stand. Tasya faltete ihr die Hände über der Brust, strich ihr Haube und Tracht glatt und legte ihr das Kruzifix aufs Herz.
    Das Grab war frisch ausgehoben, der Sarg neu und trocken und mit Stricken versehen, daneben stand eine Schaufel; die Schwester hatte um die Stunde ihres Todes gewusst. Vermutlich hatte sie auch gewusst, wer er war und was jetzt auf sie zukommen würde, schoss es Rurik durch den Kopf.
    Das war der eigentliche Grund, weshalb er sie möglichst tief in der Erde verbuddeln wollte. Sonst würden die Varinskis wahrscheinlich nicht lange fackeln und ihren Leichnam schänden.
    »Ich bin so weit.« Tasya richtete sich auf und half ihm, den Sargdeckel zu schließen.
    Gemeinsam fassten sie die Stricke. Der Sarg war schwer, indes fand Rurik es wieder einmal zutiefst beeindruckend, dass Tasya sich nicht unterkriegen ließ. Sie packte rigoros mit an, stemmte die Füße in den weichen Lehmboden und half ihm, Schwester Maria Helvig langsam in die Tiefe hinabzulassen.
    Er ergriff die Schaufel.
    Tasya strich sich mit fahrigen Fingern eine Strähne aus dem Gesicht. Sie zitterte angesichts der anstrengenden Aktion.
    »Los, sag die Gebete, die du sagen willst.« Seine Nerven
waren zum Zerreißen gespannt. »Sobald du fertig bist, verschwinden wir.«
    Sie nickte und senkte den Kopf.
    Er schaufelte und ließ sie dabei nicht aus den Augen. Hinter ihr schob sich die Sonne über den westlichen Horizont. Ihre Strahlen tanzten gleich silbernen Sternen auf Tasyas schwarz-weißen Igelstacheln, bildeten einen Nimbus um ihr Gesicht. Ihre Haut war durchschimmernd wie feines Porzellan, sie hatte die Augen geschlossen, und ihre dunklen Wimpern berührten ihre Wangen. Natürlich war es eine Illusion; Tasya war kein Engel. Sie war jedoch ein guter Mensch und versuchte selbstlos, denjenigen zu helfen, die Hilfe brauchten.
    Er hatte sie nicht verdient. Trotzdem wollte er diese Frau für sich gewinnen, und es brachte ihn fast um, dass das Ende nahte.
    Er sah sich heimlich um.
    Es nahte schnell.
    Er warf die letzte Schaufel Erde auf den Grabhügel.
    Tasya hob den Blick.
    Eines von den Steinkreuzen, mit denen der Kirchhof eingezäunt war, war umgefallen. Er deutete mit dem Finger darauf. »Stell das auf ihr Grab.«
    Tasya hob es auf. Es lag schwer und kalt in ihren Händen. Sie steckte es in den kleinen Erdhügel, der sich über dem Grab wölbte.
    »Gut. Lass uns gehen.« Er warf den Rucksack über seine Schulter, schob seinen anderen Arm unter Tasyas.
    Sie war froh über diesen Aufbruch. Spürte sie doch eine drohende Gefahr, die schleichend näher kam. Ruriks Anspannung übertrug sich auf sie - womöglich
witterte sie auch einen von den Varinskis. Waren sie in der Nähe? Lauerten sie ihnen hier irgendwo auf?
    Sie hatte die Ikone in der Hosentasche.
    Sie musste das Heiligenbild in Sicherheit bringen.
    »Hast du irgendwas Verdächtiges bemerkt? Hast du den Eindruck, sie sind hier?«, fragte sie unbehaglich.
    »Nein.« Sein Blick schweifte über die dicht belaubten Kronen der hohen Bäume. Er überlegte und lauschte angestrengt. »Nein. Andererseits sind sie wahre Experten, wenn es darum geht, Leute heimlich zu beschatten und überraschend anzugreifen. Und wir haben uns mächtig lange hier aufgehalten.« Ungeachtet ihrer Skepsis umklammerte er ihren Arm und marschierte mit langen, energischen Schritten los.
    Ihr Herz raste. Er rannte verflixt schnell, seine Miene grimmig-besorgt. Als sie die Seitenmauer der Kapelle passierten und um die Ecke bogen, gewahrten sie drei Männer, die an ihrem Leihwagen lehnten.
    Einer hatte die Ellbogen auf das Dach gestützt und spielte mit den Autoschlüsseln.
    Einer saß auf der Kühlerhaube und beobachtete sie.
    Einer stand grinsend hinter dem Wagen, die verschränkten Arme auf den Kofferraumdeckel gelegt.
    West Side Story in einer Aufführung des berühmt-berüchtigten Kosakentrios.
    Tasya hätte die drei überall wiedererkannt. Sie hatte Fotos von ihnen gesehen. Sie hatte sie in ihrem Hof herumlungern sehen. Wenn sie die Typen sah, drehte sich ihr

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