In den Armen der Nacht
Indem ich die Varinskis vernichte.«
Sie wollte stark und mutig sein und nicht dieses schwache Wesen, dem es vor der Konfrontation mit der Vergangenheit grauste, weil sie befürchtete, daran seelisch zu zerbrechen.
Schlimm genug, dass sie Ruriks Umarmung tröstlich fand. Keine Ahnung, wieso.
Ihre Eltern hätten sich im Grab umgedreht, dachte Tasya bestürzt. In einem Anfall von Frust und Wut rief sie: »Deine Familie mag zwar den Namen Wilder angenommen haben, dennoch ändert das nichts an der Tatsache, dass ihr waschechte Varinskis seid! Dir war von Anfang an klar, was ich suchte, deshalb hast du mich schön im Dunkeln tappen lassen. Ich werde dir niemals
verzeihen, dass du mich angelogen hast. Mich benutzt hast. Glaub mir, das vergesse ich dir nie.«
27
R urik schaute Tasya für einen langen Augenblick an, sein Gesicht unbewegt, wie in Granit gemeißelt. In seinen braunen Augen flackerte ein rotglühendes Feuer. Um seinen Mund herum lag ein brutaler Zug. Er verharrte reglos, lauernd, seine Körperhaltung angespannt wie die eines wilden Tiers, das zum Beutesprung ansetzt.
Plötzlich wurde Tasya klar, dass sie nie wirklich Angst vor ihm gehabt hatte.
Jetzt hatte sie Angst.
Mit einer Stimme, frostig wie ein arktischer Winter, fragte er: »Was ist deine verdammt mickrige Rache, wenn man den Bruch eines Teufelspaktes dagegenhält?«
Vor Entrüstung blieb ihr fast die Luft weg. »Mickrig?«, schnaubte sie.
»Wenn es dir gelingt, die Ikone zu finden und sie National Antiquities zu übergeben, und wenn es dort gelingt, den Beweis zu erbringen, dass deine Theorie über die Varinskis stimmt, dann wirst du in sämtliche Prominentenshows eingeladen und bekommst deine Publicity. Dein Buch wird veröffentlicht, und wenn es dir glückt, die Leute ernsthaft für das Thema zu sensibilisieren - und falls die Varinskis die Jury nicht bestechen -,
dann landen Yerik und Fdoror vielleicht, ganz vielleicht im Gefängnis.« Rurik schloss behutsam die Hände um ihre Oberarme, beugte sich über ihr Gesicht und sah ihr tief in die Augen. Tasya zuckte mit keiner Wimper. »Wo sie wie Könige leben und nach sechs Monaten wegen guter Führung entlassen werden.«
»Aber die negative Berichterstattung …«
»Wird was bewirken? Dass sie als schwarze Schafe im organisierten Verbrechen dastehen und die Welt auf sie aufmerksam wird? Die Leute sind zweifellos fasziniert von so viel Brutalität und Skrupellosigkeit.« Er deutete nach Osten, in Richtung Ukraine, der Heimat der Varinskis. »Die Nachrichtensender werden irgendeinen erfahrenen Reporter zu einem Exklusivinterview mit Boris losschicken. Der Verlag, auf den du deine Hoffnungen setzt, wird ihm schleunigst einen lukrativen Vertrag unterjubeln und einen Ghostwriter, der die Sensationsstory zwischen zwei Buchdeckel bringt. Im Nu haben die einen Film und eine TV-Miniserie abgedreht. Aber das hat dich nicht zu kümmern.«
Sie erstarrte. »Wieso nicht?«
»Du wirst nicht mehr lange genug leben, um das alles mitzubekommen.«
»Ich hab keine Angst vor dem Tod.«
»Täusch dich da mal nicht, denn die Varinskis sind bitterböse Kreaturen, die gewissenlos foltern und morden und daran einen Mordsspaß haben. Und wenn sie dich kriegen, dann bringen sie dich ganz langsam um und vergewaltigen dich dabei. Wieder und wieder und immer wieder.«
»Wie sie es bei meiner Mutter taten?« Sie kämpfte
mit sich, wusste allerdings, dass ihr die Argumente ausgingen.
»Genau wie bei deiner Mutter«, bekräftigte er. »Mal was anderes. Dein Plan hat einen entscheidenden Haken. National Antiquities hat nicht die Mittel, um die Ikone vor Diebstahl und Raub zu schützen.«
»Sie haben ein hervorragendes Sicherungssystem!«
»Dein Beweis ist weg, bevor der erste Experte auch nur einen Blick darauf geworfen hat. Demnach kannst du deinen Plan vergessen. Oh, bis auf die Sache mit der Leiche. Sie werden dich umbringen.«
Sie schob trotzig ihr Kinn vor. »Das machen sie so oder so. Ich bin die einzige Dimitru, die entkommen konnte, und die Varinskis sind allergisch gegen überlebende Zeugen.«
»Was du sagst, stimmt.« Rurik richtete sich zu seiner vollen Länge auf. »Wenn es dir jedoch gelingt, dich zu meiner Familie nach Washington durchzuschlagen, können die Wilders dich beschützen.«
»Wie denn, ohne gleichzeitig die Varinskis auf sie zu hetzen?«
»Ich sag dir, wie du es machst, und dann lenke ich sie ab.«
»Einen Dreck wirst du tun!«
»Wir haben keine Alternative. Einer von uns muss hier
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